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Berlin
Die Ampel rüttelt am Fahrerflucht-Paragrafen – Kritik von der Polizei
FDP-Justizminister Marco Buschmann erwägt, Unfallflucht bei reinen Sachschäden nur noch als Ordnungswidrigkeit einzustufen. Bei Polizei und Justiz kommt die Idee nicht gut an.
Ein Zettel an der Windschutzscheibe genügt nicht. Auch wer nach einem Rempler eine Nachricht hinterlässt, begeht Unfallflucht. Foto: Jens Wolf/dpa-Zentralbild       -  Ein Zettel am Wischer schützt vor Strafe nicht.
Foto: Jens Wolf, dpa | Ein Zettel am Wischer schützt vor Strafe nicht.
Michael Pohl
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:16 Uhr

Der Zettel an der Windschutzscheibe reicht im Ernstfall nicht: Ein Parkrempler oder abgefahrener Außenspiegel führt schnell zu Reparatur- und Lackierkosten deutlich über tausend Euro. Wer sich dann vom Unfallort entfernt, ohne den Fahrzeugbesitzer oder die Polizei persönlich zu verständigen, riskiert eine Geldstrafe von einem Monatsgehalt und bis zu sechs Monate Fahrverbot.

Fahrerflucht ist auch bei Bagatellschäden eine Straftat. Noch. Denn Bundesjustizminister Marco Buschmann prüft derzeit, den Fahrerflucht-Paragrafen zu lockern und hat alle Bundesländer und diverse Verbände anschreiben lassen, was sie davon halten würden, wenn das Entfernen vom Unfallort bei reinen Sachschäden künftig nur noch eine Ordnungswidrigkeit wäre.

Richterbund lehnt Lockerung der Unfallflucht-Strafen ab

Bei Justiz und Polizei kommt die Idee des FDP-Ministers nicht gut an: „Aus Sicht der Justizpraxis besteht kein Anlass, das unerlaubte Entfernen vom Unfallort in Fällen ohne Personenschaden zur Ordnungswidrigkeit herabzustufen“, sagt der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn. „Die Strafvorschrift hat sich bewährt und gibt den Gerichten ausreichend Spielräume, um Rechtsverstöße jeweils tat- und schuldangemessen zu bestrafen.“

Auch die Gewerkschaft der Polizei reagiert skeptisch auf Buschmanns Vorstoß. „Es wäre fatal, wenn durch eine teilweise Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit in der Öffentlichkeit der Eindruck entstehen könnte, Unfallflucht wäre ein Kavaliersdelikt“, sagt der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende Michael Mertens unserer Redaktion. Offen zeigt sich der Polizeigewerkschafter jedoch für Überlegungen des Justizministeriums, Unfälleüber eine offizielle Internetseite mit Bildern vom Unfallort zu melden: „Intelligente Onlineverfahren zur Unfallmeldung oder andere Ideen sind unabhängig der rechtlichen Einstufung der Unfallfluchtüberlegenswert, der Zettel an der Windschutzscheibe ist im Jahr 2023 von gestern.“

Auch wenn die Polizeigewerkschaft zur Frage der rechtlichen Einstufung als Ordnungswidrigkeit noch keine abschließende Meinung hat, warnt Mertens vor möglichen Folgen. „Es darf nicht sein, dass für Unfallverursacher durch eine Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit die Hemmschwelle zur Flucht vom Unfallort sinkt“, betont der GdP-Vizechef. „Die Sachschäden bei Unfällen sind oft erheblich, selbst bei Parkremplern entstehen oft vierstellige Reparaturkosten. Es darf nicht sein, dass gerade die Menschen, die sich keine Vollkaskoversicherung gegen Fremdverschulden leisten können, zu den Verlierern einer Reform werden.“ Eine Unfallflucht sei für die meisten Geschädigten ein einschneidendes Ereignis.

In Bayern bei jedem zwanzigsten aufgeklärten Fall Alkohol im Spiel

Die Onlinemeldung könnte aus Sicht der Polizei eine Auswirkung auf die Verfolgung von Unfällen unter Alkoholeinwirkung haben: „Die Frage des Alkohols ist eine rechtlich komplizierte Frage“, sagt GdP-Vize Mertens. „Ein Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss ist vermutlich die einzige Straftat, bei der sich ein Täter stellen muss und gezwungen ist zu warten, bis die Polizei kommt“, erklärt er. „Es wird ein spannender Punkt in der Diskussion, wenn sich ein betrunkener Verursacher bei einem Unfall mit Sachschaden anderweitig melden könnte“, erklärte er. „Zumindest der Schutz des Eigentums des Geschädigten wäre damit gewährleistet“, fügt der Polizeigewerkschafter hinzu.

Allein in Bayern gab es im vergangenen Jahr über 71.000 Fälle von Unfallflucht, von denen die Polizei immerhin 38 Prozent aufklären konnte. In mehr als jedem zwanzigsten aufgeklärten Fall konnten noch Alkohol oder Drogen bei den Verursachern nachgewiesen werden.

 
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