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Washington
Zweite Amtszeit von Donald Trump: Das Motto wäre "Trump First"
In einer zweiten Amtszeit will Donald Trump Putschisten begnadigen und den Klimaschutz aushöhlen. Doch am bedrohlichsten klingen die Pläne für einen Rückbau der Demokratie.
Wahlkampf in den USA - Trump.jpeg       -  Gewählt wird der nächste US-Präsident erst am 5. November 2024. Doch Trump und sein Team bereiten sich bereits für den Fall seines Sieges vor.
Foto: Artie Walker Jr., AP/dpa | Gewählt wird der nächste US-Präsident erst am 5. November 2024. Doch Trump und sein Team bereiten sich bereits für den Fall seines Sieges vor.
Karl Doemens
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:51 Uhr

Die inoffizielle Ausschreibung steht schon im Netz. Auf der Homepage der rechten Denkfabrik Heritage Foundation können sich Interessierte neuerdings für einen Job in einer möglichen Trump-Regierung ab 2025 bewerben. "Schicken Sie Ihre Unterlagen jetzt ab", fordert das Institut potenzielle Ministerialbeschäftigte auf: "Mit den richtigen konservativen Politikempfehlungen und sauber ausgewähltem und geschulten Personal werden wir uns die Regierung zurückholen." 

Auf einem Fragebogen muss man neben der eigenen Haltung ("traditionell konservativ", "fiskalisch konservativ", "sozialkonservativ", "paleokonservativ", "libertär" oder "neokonservativ") auch Auskunft über politische Vorbilder und Bücher, die einen beeindruckt haben, geben. Dann soll man einige Thesen gutheißen oder ablehnen. "Der Präsident muss seine Agenda ohne Behinderung durch ungewählte Bürokraten umsetzen können", lautet eine. Wer das anzweifelt, dürfte raus sein. 

Die erste Amtszeit von Donald Trump hatte 2017 mit einer aberwitzigen Mischung aus Drama, Inkompetenz und Chaos begonnen. Weder inhaltlich noch personell war der Reality-TV-Star auf den Präsidentenposten vorbereitet. Politische Konzepte gab es nicht. Pausenlos berichteten die Nachrichtensendungen über neue Seifenopern im Weißen Haus. 

Eilig umgab sich der Rechtspopulist mit Generälen und Geschäftsleuten, die ihm Seriosität verleihen sollten. Eine fatale Täuschung – auch aufseiten des befreundeten Auslands, das auf "die Erwachsenen" im Kabinett vertraute: Weder Ex-Manager Rex Tillerson als Außenminister noch die beiden ehemaligen Generäle James Mattis als Verteidigungsminister und John Kelly als Stabschef überlebten die erste Hälfte der Amtsperiode. Tillerson sei "dumm wie Brot", Mattis "total überbewertet" und Kelly mit einem "sehr kleinen Gehirn" ausgestattet, befand Trump. 

Die Wiederholung solcher Chaostage wollen der Ex-Präsident und einflussreiche Strippenzieher in seinem Umfeld unbedingt verhindern. Und sie wollen sicherstellen, dass beim nächsten Mal alles ganz nach dem Willen des Kandidaten abläuft. Zwar sind es noch 15 Monate bis zur nächsten Wahl. Aber alles spricht dafür, dass die Republikaner im November 2024 erneut mit Donald Trump antreten werden. Für den Fall seines Sieges bereitet sich das America-First-Lager vor: Hunderte Politstrategen und Berater arbeiten in Trumps Wahlkampfteam und bei diversen rechten Denkfabriken an Blaupausen für die ersten Regierungsmonate. Sie verfassen Papiere, knüpfen Kontakte und überprüfen mögliche Kandidaten für die Schaltstellen in Ministerien und Bundesbehörden. 

Trump dürfte keinen der Wälzer lesen, Akten haben ihn nie interessiert

"Bei früheren Wahlkämpfen haben die Präsidentschaftskandidaten im späten Frühling des Wahljahres begonnen, die Machtübernahme zu planen. Das ist zu spät", sagt Paul Dans, der in der ersten Trump-Regierung für die Personalplanung zuständig war: "Wir wollen am 20. Januar 2025 um 12 Uhr mittags zum Regieren bereit sein." Dans leitet bei der Heritage Foundation das "Project 2025", das den Regierungswechsel für die Republikaner inhaltlich und personell vorbereitet. Dazu hat er ein 887-seitiges Kompendium erstellt. Ein anderer Thinktank, das ultrarechte "Center for Renewing America" unter Leitung von Russ Vought, des christlich-nationalistischen Ex-Haushaltsdirektors der Trump-Regierung, hat einen 100-seitigen Budgetentwurf mit dem programmatischen Titel "Eine Selbstverpflichtung zur Beendigung der woken und politisierten Regierung" vorgelegt, der die Mittel für die Steuerverwaltung und Rechtsterrorismusbekämpfung drastisch kürzt. Das ideologisch verwandte "America First Institute" unter Leitung von Brooke Rollins, einer weiteren Ex-Mitarbeiterin in Trumps Präsidialamt, umreißt in 55 Kapiteln Leitlinien für praktisch alle Politikfelder. 

Dass Trump einen der Wälzer lesen wird, dürfte so gut wie ausgeschlossen sein. Akten und Papiere haben ihn noch nie interessiert, sofern es sich nicht um "Liebesbriefe" eines nordkoreanischen Diktators handelt. Außerdem ist der 77-Jährige viel zu sehr mit seinen Strafverfahren und sich selbst beschäftigt. Doch die Konzepte passen auf fatale Weise zum grenzenlosen Machthunger des Möchtegernautokraten. Sie laufen auf eine massive Konzentration der Macht im Oval Office, eine weitgehende Entmachtung der Institutionen und ein Ende des Systems der "Checks and Balance" hinaus, bei dem sich die verschiedenen Gewalten im demokratischen Staat gegenseitig kontrollieren. 

"Das große Thema einer zweiten Trump-Präsidentschaft wird Rache sein", glaubt Geoffrey Kabaservice: "Rache gegen das liberale Establishment und alle seine Feinde." Kabaservice arbeitet als Direktor für Politische Studien beim kleinen Niskanen Center. Die moderat-konservative Denkfabrik in unmittelbarer Nähe des Kapitols fühlt sich marktliberalen Werten verpflichtet. Das unterscheidet sie von manchem progressiven Institut in Washington. Doch noch weniger hat Kabaservice mit den rechtspopulistischen Parolen der Trumpisten am Hut. Das macht den belesenen Yale-Absolventen und mehrfachen Buchautor zu einem interessanten Gesprächspartner. 

"Mich beunruhigt, dass Trump dieses Mal die Regierung besser im Griff haben wird", sagt Kabaservice: "Er wird sich nicht am republikanischen Establishment orientieren, das beim letzten Mal seine schlimmsten Impulse zurückhielt." Der Wissenschaftler nippt kurz an seinem Kaffee: "Wenn der Mann seine Fantasien wirklich umsetzen kann, ist das extrem zerstörerisch und gefährlich für die Vereinigten Staaten und die ganze Welt." 

Tatsächlich lesen sich die politischen Vorhaben der America-First-Ideologen für ein liberales Publikum wie ein Horrorkatalog: Trump will die Putschisten vom 6. Januar 2021 begnadigen, die Mauer zu Mexiko vollenden, Steuersenkungen für Reiche dauerhaft festschreiben, ausländische Unternehmen mit Strafzöllen belegen und mutmaßlich aus der Nato austreten. "Biden hat Millionen von der Ukraine kassiert, und nun bekommen die Ukrainer Milliarden vom amerikanischen Steuerzahler", verknüpfte er bei einem Wahlkampfauftritt in Pennsylvania kürzlich seine Propaganda über die vermeintliche "Verbrecherfamilie" des aktuellen Präsidenten mit der Unterstützung für das von Russland brutal überfallene Land. Den Krieg, brüstet er sich regelmäßig, werde er "in 24 Stunden" beenden. 

Fatal sind die Vorhaben in der Klima- und Energiepolitik. "Am ersten Tag werde ich alle Biden-Diktate zu Glühbirnen, Gasöfen, Waschmaschinen, Spülmaschinen, Duschköpfen und Spülbecken einkassieren", versprach Trump in Pennsylvania und fügte hinzu: "Wenn ihr Geld für elektrische Autos ausgeben wollt, dann investiert besser in ein Abschleppunternehmen." Seine Anhänger johlten. Die Blaupausen für eine Präsidentschaft sehen die Aufhebung zahlreicher Auflagen für die Emission von Treibhausgasen durch Autos, Öl- oder Gasbohrungen und Kraftwerke vor. Praktisch alle Programme zur Förderung sauberer Energien einschließlich der Milliardensubventionen durch das Klimapaket sollen gekippt und die Arktis für die Ölkonzerne geöffnet werden. Irgendwelche Ziele oder Vorgaben zur Senkung der Treibhausgase, die für die Erderwärmung verantwortlich sind, finden sich im "Project 2025" nicht. 

Am dramatischsten aber klingen die Pläne für eine Ausweitung der präsidialen Macht, die die amerikanische Demokratie bedenklich in die Nähe autokratischer Regime rücken würde. Der von Trumps einstigen Chefideologen Steve Bannon seit Langem verkündete "Abriss des Verwaltungsstaats" soll in einer zweiten Amtszeit angegangen werden. Paul Dans, der Vordenker des "Project 2025", beklagt in einem Aufsatz den "langen Marsch des kulturellen Marxismus" durch die Institutionen: "Die Regierung ist zu einem Koloss geworden, der gegen amerikanische Bürger und konservative Werte kämpft. Unsere Freiheiten sind eingeengt wie nie zuvor." Damit soll nun Schluss sein. 

Die neue Qualifikation könnte sein: Loyalität zu Trump

Der ideologische Kampf der Rechten gegen den starken Staat paart sich mit Trumps persönlichem Interesse, jede Begrenzung seiner vermeintlich absoluten Macht (bis hin zur Strafverfolgung) zu verhindern. "In der Sicht dieser Leute gibt es keine neutrale, objektive Verwaltung", sagt Kabaservice: "Jeder, der Zweifel an Trumps Vorhaben äußert, muss deshalb ein linksradikaler Aktivist sein." 

Am Beginn einer zweiten Präsidentschaft soll deshalb eine gigantische Säuberungsaktion in den Ministerien und Behörden stehen. "Wir werden den Deep State zerstören", kündigte Trump kürzlich an: "Wir werden die Kriegstreiber und Globalisten aus unserer Regierung werfen. Wir werden die Kommunisten, Marxisten und Faschisten vertreiben. Und wir werden die kranke politische Klasse herausschmeißen, die unser Land hasst." 

Üblicherweise werden bei einem Amtswechsel in Washington rund 4000 politische Beamte ausgetauscht. Für deutsche Verhältnisse ist dies eine große Zahl, die eine bisweilen holprige Übergangszeit der Administration bedingt. Dieses Mal aber könnten nach Einschätzung von Beobachtern 50.000 oder mehr Staatsdiener gefeuert werden. 

Den Hebel dazu liefert das von Trump wenige Tage vor dem Ende seiner ersten Amtszeit im Oktober 2020 unterzeichnete Dekret "Schedule F" (Plan F), das kurz darauf von seinem Nachfolger Joe Biden kassiert wurde und nun wiederbelebt werden soll. Es ermöglicht die Entlassung aller Bundesbediensteten, die auf irgendeine Weise an der Umsetzung der Regierungspolitik beteiligt sind. Selbst wer seinen Job behalten darf, wird dadurch hinlänglich eingeschüchtert. "Trump glaubt, als Präsident machen zu können, was er will", sagt Kabaservice: "Deswegen sollen Leute, die ihren Job aufgrund ihrer Kompetenz bekommen haben, ersetzt werden durch solche, deren Qualifikation eine absolute Loyalität zu Trump ist." 

In seiner zweiten Amtszeit würde sich Trump so immer mehr zum imperialen Herrscher entwickeln. Mit Sicherheit dürfte er das Justizministerium, dessen Chefs ihm trotz ultrakonservativer Gesinnung in der ersten Amtszeit gelegentlich widersprachen, komplett unter seine Kontrolle bringen und die Politisierung der Streitkräfte vorantreiben. "Trump First" wäre überall das Motto. Auf den militärischen Beistand der USA könnte sich der Westen wohl nicht mehr verlassen. 

Der moderat-konservative Kabaservice hofft immer noch, dass es im Kongress genügend vernünftige Republikaner gebe, die helfen, das Allerschlimmste zu verhindern. Aber sicher kann man nicht sein. Zum Ende eines einstündigen Gespräches möchte der Politologe deshalb noch eine mahnende Bemerkung loswerden: "Es ist an der Zeit, dass unsere europäischen Verbündeten ein Worst-Case-Szenario entwickeln." 

 
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