zurück
Washington
Korruptionsvorwürfe können Verfassungsrichter nicht stoppen
Exquisite Reisen, Flüge in der privaten Boeing 737 und eine Gratis-Renovierung des Elternhauses: Richter Clarence Thomas lässt gerne andere für sich bezahlen. Folgen hat das nicht.
Memorial service for Supreme Court Justice Antonin Scalia.jpeg       -  Verfassungsrichter Clarence Thomas ist wegen seines mondänen Lebensstils in den Fokus einer gemeinnützigen Recherche-Organisation geraten.
Foto: Susan Walsh , Pool AP, dpa | Verfassungsrichter Clarence Thomas ist wegen seines mondänen Lebensstils in den Fokus einer gemeinnützigen Recherche-Organisation geraten.
Karl Doemens
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:49 Uhr

In der Öffentlichkeit gibt sich Clarence Thomas gerne als Mann des Volkes. Der dienstälteste Verfassungsrichter der USA, der 1991 als zweiter Afroamerikaner in der Geschichte an den ehrwürdigen Supreme Court berufen wurde, betont dann seine Herkunft aus ärmlichen Verhältnissen in Georgia. "Ich habe kein Problem damit, nach Europa zu reisen", sagte Thomas vor einigen Jahren in einem Interview: "Aber ich bevorzuge die gewöhnlichen Gegenden der USA. Da habe ich ein Gefühl von Normalität." 

Mit dem Alltag des überwiegenden Teils der amerikanischen Bevölkerung hat diese "Normalität" freilich nichts zu tun. Acht Jahre nach seinem Aufstieg ans Oberste US-Gericht, für das er einst vom republikanischen Präsidenten George H.W. Bush nominiert worden war, entdeckte der Jurist mit seiner Frau Virginia die gemeinsame Leidenschaft für Camping-Urlaube. Das Wohnmobil, das sie sich damals zulegten, war ein Prevost Le Mirage XL Marathon. Der gebrauchte, zwölf Meter lange "Rolls Royce der Caravane" kostete schlappe 267.000 Dollar. 

Clarence leistete sich immer wieder luxuriöse Fluchten aus Washington

Für einen Verfassungsrichter mit seinerzeit 167.000 Dollar Jahreseinkommen und einer Hypothek von rund 500.000 Dollar auf seinem Haus war das eine erkleckliche Summe. Doch auch in der Folgezeit gönnte sich Thomas immer wieder luxuriöse Fluchten aus Washington: Mal flog er zum Hochseefischen auf eine Yacht in der Karibik, mal entspannte er auf einer Mega-Ranch im Milliardärsparadies Jackson Hole, mal auf einem exquisiten Golfplatz mit Hubschrauberlandeplatz an der Atlantikküste. 

Ermöglicht wurde der exquisite Lebensstil des stramm-konservativen Juristen durch Einladungen, angebliche Darlehen und Geschenke von ultrareichen Freunden. Allmählich wird der gigantische Umfang dieser ethisch höchst fragwürdigen Abhängigkeiten bekannt. Im Frühjahr dieses Jahres hatte die gemeinnützige Recherche-Organisation Pro Publica erstmals über die Verbindung von Thomas zum texanischen Immobilien-Milliardär und Nazi-Devotionalien-Sammler Harlan Crow berichtet, der dem Richter einst eine historische Bibel für 19.000 Dollar schenkte und für Reisen und andere Ausgaben aufkam. Vor einem Monat enthüllte die New York Times, dass das Luxus-Wohnmobil von dem Krankenversicherungsmanager Anthony Welters finanziert wurde. 

Die Auflistung der "Gefälligkeiten" ist lang

Jetzt legte Pro Publica eine Auflistung von "Gefälligkeiten" vor, die Thomas in den vergangenen drei Jahrzehnten akzeptiert hat. Bei akribischen Recherchen, der Auswertung von Flugdaten, E-Mails und Steuerunterlagen sowie Interviews mit mehr als 100 Augenzeugen stießen die Investigativ-Journalisten auf mindestens 38 Luxusreisen, 26 Flüge in privaten Jets, mehrere Besuche in VIP-Lounges bei Sportereignissen und den freien Zugang zu einem mega-exquisiten Golfplatz, der normalerweise eine Aufnahmegebühr von 150.000 Dollar verlangt. Insgesamt, so Pro Publica, dürfte der Wert der Vergünstigungen "in die Millionen" gehen. 

Bezahlt wurde das alles von rechten Geschäftsleuten wie dem Ölbaron Paul Novelly, dem Private-Equity Investor David Sokol und dem 2018 verstorbenen Milliardär Wayne Huizenga, der sein Vermögen unter anderem mit dem Aufbau des größten Autohändlernetzes der USA und der Video-Verleihkette Blockbuster gemacht hatte. Mindestens zweimal schickte Huizenga seine private Boeing 737 nach Washington, um Thomas für einen Trip nach Süd-Florida abzuholen. 

Aggressiver Lobbyismus und fragwürdige Gefälligkeiten sind weit verbreitet

Keinen dieser Luxustrips hat der Verfassungsrichter nach amerikanischen Medienberichten angemeldet. Auch zeigte er beim Supreme Court nicht an, dass Immobilienentwickler Crow die Schulgebühren für seinen Neffen übernahm und das renovierungsbedürftige Haus seiner Mutter in Georgia kaufte und aufmöbeln ließ. Aggressiver Lobbyismus und fragwürdige Gefälligkeiten sind in Washington weit verbreitet. Auch ist es Verfassungsrichtern formal erlaubt, Einladungen zum Essen und für private Übernachtungen anzunehmen. Aber Thomas, urteilt Pro Publica, sei "ein extremer Ausreißer". 

Um seinen Job fürchten muss der Richter, dessen Frau Ginni zudem als ultrarechte Lobbyistin eine höchst problematische Rolle beim Umsturzversuch des 6. Januar 2021 spielte, trotzdem nicht. Verfassungsrichter werden in den USA auf Lebenszeit bestellt. Und einen verbindlichen Ethik-Code hat der Supreme Court nicht. Ethik-Experten und Demokraten dringen nun massiv auf klare Regeln. Aber die Republikaner im Kongress stellen sich quer. 

Thomas selbst kann keinen Skandal erkennen. "Harlan und Kathy Crow gehören zu meinen engsten Freunden", sagte er im April: "Wir haben sie auf einer Reihe von Familienreisen begleitet, wie es Freunde halt so machen."

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Amerikanische Bevölkerung
Dollar
Hypotheken
Mütter
Verfassungsrichter
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen