Immer, wenn es ernst wird, drückt Donald Trump das Feststellsymbol seiner Handy-Tastatur. Am Donnerstagabend um kurz nach 19 Uhr war es wieder so weit. Zuvor hatten die Behörden seine Anwälte über die Anklage in der Geheimdokumentenaffäre informiert. "Ich bin ein unschuldiger Mann", wetterte der Ex-Präsident in Großbuchstaben auf seiner Propaganda-Plattform "Truth Social": "Die Biden-Regierung ist total korrupt!"
Die Botschaft verfehlte ihre Wirkung nicht: Innerhalb weniger Stunden sprangen zahlreiche prominente Republikaner ihrem inoffiziellen Parteichef bei. Von einem "dunklen Tag" unkte Kevin McCarthy, der Sprecher des Repräsentantenhauses, noch bevor die Anklageschrift veröffentlicht war: "Ich und jeder Amerikaner, der an Rechtsstaatlichkeit glaubt, stehen an der Seite von Präsident Trump gegen diese schwere Ungerechtigkeit."
Gegen die Strafverfolgung Trumps wendet sich auch Ron DeSantis
Auch Ron DeSantis, der wichtigste Rivale im innerparteilichen Rennen um die Präsidentschaftskandidatur, wetterte: "Der Einsatz bundesstaatlicher Strafverfolgungsbehörden als Waffe ist eine tödliche Bedrohung für eine freie Gesellschaft." Und der Pharma-Unternehmer Vivek Ramaswamy, der sich ebenfalls um die republikanische Nominierung bemüht, versprach: "Ich werde Trump sofort am 20. Januar 2025 (dem Tag der Vereidigung des neuen Präsidenten, d. Red.) begnadigen."
Trump als Märtyrer für die konservative Sache, Trump als das Opfer der Hexenjagd eines korrupten linken Regimes – genau dieses Narrativ hatte der Ex-Präsident verbreiten wollen. Minutiös hatte er offenbar die Reaktion auf die seit Tagen erwartete Anklage vorbereitet: Kurz darauf stellte er ein vorproduziertes Video online. Seine Anwälte schwärmten vor die Kameras aus, noch bevor sich das Gericht oder die Staatsanwaltschaft geäußert hatten. Am Freitagmorgen verschickte seine Kampagne unter der Überschrift "Republikaner scharen sich um Präsident Trump" eine Pressemitteilung mit unterstützenden Statements von mehr als 40 Senatoren und Abgeordneten sowie zahlreichen Meinungsmachern.
Die konzertierte Reaktion vermittelt einen Vorgeschmack auf die zu erwartenden erbitterten politischen Kämpfe rund um das bevorstehende Strafverfahren. Zwar muss sich Trump bereits vor dem Distriktgericht in New York wegen seiner Schweigegeldzahlung an die Pornodarstellerin Stormy Daniels verantworten. Doch die jetzige Anklage in Miami wegen des unsachgemäßen Umgangs mit vertraulichen Regierungsunterlagen wiegt deutlich schwerer: Sie ist die erste auf Bundesebene, und bei einer Verurteilung droht dem Milliardär eine mehrjährige Haftstrafe.
Bisher ist die Anklageschrift noch versiegelt. Doch nach Angaben von TrumpsAnwaltJames Trusty lassen sich aus der Vorladung sieben Anklagepunkte herauslesen. Der Verteidiger erwartet, dass sein Mandant unter anderem wegen des Sammelns, Übermittelns oder Verlierens von Verteidigungsinformationen angeklagt werden dürfte. Dieser Punkt fällt unter das US-Spionagegesetz und kann bis zu zehn Jahre Gefängnis nach sich ziehen. Außerdem sollen dem Ex-Präsidenten die Behinderung der Justiz, Falschaussage und Verschwörung zur Last gelegt werden.
Donald Trumps Affäre um Geheimpapiere ist noch präsent
Nach seinem Auszug aus dem Weißen Haus hatte Trump offenbar in großem Umfang geheime Regierungsunterlagen statt zum Nationalarchiv auf sein Privatanwesen Mar-a-Lago in Florida schaffen lassen. Erst nach längerem Gerangel rückten seine Anwälte mehrere Kartons heraus und versicherten im Mai 2022 in einer eidesstattlichen Erklärung, dass damit alle fraglichen Papiere ausgehändigt seien. Bei einer Razzia im August fand das FBI aber noch etwa 100 vertraulich, geheim oder streng geheim eingestufte Dokumente.
Trumps Behauptung, er habe die Geheimhaltung noch während seiner Präsidentenzeit aufgehoben, wird durch eine Audio-Aufnahme aus dem Jahr 2021 widerlegt. Der Sender CNNveröffentlichte am Freitag aufschlussreiche Passagen eines Transkripts. Demnach beklagte sich Trump damals vor Vertrauten, dass man ihm kriegerische Absichten gegen den Iran vorgeworfen habe. Tatsächlich seien diese vom Generalstab gekommen. Als Beleg zeigte er ein Dokument mit einem mutmaßlich geheimen Angriffsplan des Pentagons herum: "Geheim! Das sind Geheimunterlagen! (...) Als Präsident hätte ich das aufheben können, aber nun kann ich das nicht mehr."
Am Dienstag steht Trump erneut vor Gericht
Nach eigenen Angaben muss sich Trump nun am kommenden Dienstag um 15 Uhr Ortszeit bei dem Gericht in Miami einfinden. Dort dürften seine Personalien festgestellt werden, und er könnte eine erste Gelegenheit erhalten, sich zu den Vorwürfen zu äußern. Der 76-Jährige will auf "nicht schuldig" plädieren.