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Rehoboth Beach
Der alte Mann am Meer: So macht US-Präsident Joe Biden Urlaub
Während Donald Trump zum dritten Mal angeklagt wird, verbringt Joe Biden seinen Urlaub unauffällig am Strand. Doch auch das Private ist in diesen Zeiten hochpolitisch.
Bidens in Rehoboth Beach.jpeg       -  Joe Biden und seine Frau Jill sitzen unter einem Sonnenschirm am Strand von Rehoboth Beach.
Foto: Manuel Balce Ceneta, AP/dpa | Joe Biden und seine Frau Jill sitzen unter einem Sonnenschirm am Strand von Rehoboth Beach.
Karl Doemens
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:56 Uhr

So muss ein perfekter Strandtag aussehen. Vorne im Meer, gerade mal 50 Meter entfernt, schwimmen zwei Delfine. Eine Gruppe Pelikane gleitet lautlos über das Wasser. Am Ufer buddeln Kinder im Sand. Die Sonne strahlt bei blauem Himmel und erträglichen 27 Grad Celsius. Die Probleme der Welt scheinen an diesem Tag weit entfernt. 

Wären da nicht die vier Männer mit auffällig langen Hosen und festem Schuhwerk, die sich an den Ecken einer Liegefläche wie menschliche Absperrpfosten aufgebaut haben, könnte man das unscheinbare ältere Ehepaar unter einem blauen Sonnenschirm glatt übersehen. Einige Passanten bleiben beim Spaziergang am Gordon Pond Beach neugierig stehen und zücken ihre Handys. Noch ehe man so richtig begriffen hat, mahnt ein Personenschützer ebenso freundlich wie bestimmt: "Sie können ein Foto machen, aber nicht stehen bleiben. Weitergehen! Weitergehen! Lassen Sie denen etwas Raum!" Der Präsident und die First Lady seien schließlich "in Urlaub".

Warum soll nicht auch Joe Biden ein paar Tage ausspannen dürfen?

Natürlich. Urlaub. Warum soll der mächtigste Mann der Welt nicht ein paar Tage ungestört ausspannen dürfen? Gerade hackt Joe Biden in dunkelblauem Polohemd und Badeshorts irgendetwas in sein Handy, während seine Frau Jill ein Buch liest. Als ein paar Leute applaudieren, lächelt der 80-Jährige. Er winkt kurz. Dann greift er in seine Badetasche, zieht eine Wasserflasche heraus und trinkt.

Die Szene spielt nicht auf Hawaii und auch nicht auf der Millionärsinsel Martha's Vineyard, wo Barack Obama gerne Ferien macht. Auch befinden wir uns nicht auf dem weitläufigen Anwesen eines luxuriösen Golfclubs mit zahlender Mitgliedschaft, wo sich Donald Trump am wohlsten fühlt. Eher im Gegenteil: Rehoboth Beach ist ein typischer rummeliger amerikanischer Mittelklasse-Ferienort an der Atlantikküste von Delaware. Rund um die Promenade drängen sich T-Shirt-Läden, Souvenirshops und mediokre Restaurants. Im bewaldeten Ortsteil North Shores an der Grenze zum Henlopen State Park freilich verstecken sich ein paar ziemlich eindrucksvolle Villen hinter einer kleinen Düne. Zwischen ihnen führen kleine private Übergänge zum Meer. Der Zugang von den benachbarten Stränden an der Wasserlinie entlang aber ist öffentlich. Und von dorther pilgern nun auch die Schaulustigen herbei.

"Ich unterstütze Sie in Ohio!", ruft eine Frau mit türkisfarbenem Bikini und einem Oberarm-Tattoo dem prominenten Urlauber zu. Biden hebt die Hand. Verstehen kann man seine Antwort nicht. Ein paar Meter Abstand müssen halt doch sein. 

Die USA scheinen sich selbst immer mehr zu hassen

Irgendwie wirkt die harmlose Szenerie surreal. Jenseits des Strands sind die USA nämlich ein tief zerrissenes Land, das sich selbst immer mehr zu hassen scheint. Selbst die einwöchige Auszeit des Regierungschefs wird zum Anlass wilder Attacken. Der Präsident lasse seine Arbeit schleifen, wettern seit Tagen die Republikaner, deren Idol Trump das Oval Office hauptsächlich zur Selbstinszenierung nutzte und auf dem Golfplatz buchstäblich zu Hause war. Mit hübschen Ferienfotos, ätzen Bidens Gegner, wollte der Präsident von den "Verbrechen" seiner "korrupten Familie" ablenken. 

Tatsächlich könnte der Kontrast zwischen dem Idyll von Rehoboth und der Stimmung im drei Autostunden entfernten Washington kaum größer sein. Dort wird gerade Trump, der mutmaßliche Gegenspieler von Biden im Kampf um das Weiße Haus, zum dritten Mal angeklagt. Der Ex-Präsident hat das ernsthaft mit den Verfolgungen politisch Andersdenkender in Nazi-Deutschland verglichen. Seinen Nachfolger beschimpft er mit den übelsten Ausfällen, und die Republikaner im Kapitol bereiten ein Amtsenthebungsverfahren gegen Biden vor. 

Während am Dienstag die Nachricht von der Anklage wie ein Lauffeuer durch die Online-Medien geht, befindet sich Biden mit Ehefrau Jill gerade auf der Fahrt zum Abendessen bei Matt's Fish Camp, einem bodenständig-maritimen Lokal, das sich für seine "Fish and Chips" preist. In dem weiß lackierten Restaurant ist noch "Happy Hour", als der Präsident und seine Frau in einer Nische an der Wand rechts vom Eingang Platz nehmen. Die übrigen Gäste, die beim Betreten des Lokals mit Handscannern abgetastet wurden, beachten ihn erstaunlich wenig. Die "Happy Hour" mit preislich reduzierten Cocktails lässt Biden ungenutzt vorbeiziehen. Er trinkt keinen Alkohol. Und ganz bewusst verkneift er sich jeden Jubel über das neue Strafverfahren gegen seinen Rivalen.

Was er zu Donald Trump sagt? Joe Biden lächelt

"Was ist Ihre Reaktion auf die Anklage gegen Trump?", ruft ein Reporter dem Präsidenten zu, als er am nächsten Morgen von einer 45-minütigen Fahrradtour durch den nahegelegenen Cape Henlopen State Park zurückkehrt. Biden lächelt. Kommentarlos strampelt er an den lauernden Kameras vorbei. Auch sonst lässt er sich keine politischen Kommentare entlocken. Der 80-Jährige hat sich vorgenommen, ein paar Tage wirklich abzuschalten. Der Präsident will Privatmensch sein. 

Doch so einfach funktioniert das nicht. Schon gar nicht bei Joe Biden. Dessen politische Bilanz kann sich nämlich sehen lassen. Die möglicherweise größten Risiken seiner erneuten Kandidatur liegen ausgerechnet im Privaten und Persönlichen. Da sind zum einen seine bescheidenen Zustimmungswerte von 39 Prozent. Dann ist da der einst alkohol- und drogensüchtige Problemsohn Hunter, der den Familiennamen mit fragwürdigen Geschäften zu versilbern versuchte und zunehmend zu einer Bürde wird. Vor allem aber fragen sich viele Amerikanerinnen und Amerikaner, ob Biden mit dann 82 Jahren nicht zu alt für eine zweite vierjährige Amtsperiode ist. 

Ausgebrochen ist diese Debatte vor einem Jahr genau hier in Rehoboth Beach. Da verhedderte sich der Präsident beim Absteigen vom Fahrrad in den Pedalen und stürzte. Die unschönen Bilder fluteten das Netz. In der Zeit seither folgten ein paar weitere Stolperer, vertauschte Ländernamen und missverständliche ironische Bemerkungen. Nichts davon war dramatisch. Aber es reichte, um Zweifel an der Fitness des Präsidenten zu nähren, dem sein Leibarzt trotz einiger Zipperlein vom Reflux der Speiseröhre bis zum steifen Gang eine "gute Gesundheit" bescheinigt.

Es gibt von Biden auch schöne Hochglanzbilder für eine Homestory

So ist der vermeintlich private Strandurlaub natürlich auch eine Demonstration: Seht her, ich funktioniere noch tadellos! Schwungvoll strampelt Biden jeden Morgen auf dem Fahrrad an den wartenden Journalisten vorbei, einen ganzen Konvoi von Personenschützern auf Rädern, in Jeeps und in Golf-Carts im Schlepptau. Gleich am ersten Tag erspähte ein Paparazzo den Präsidenten mit nacktem Oberkörper am Strand. Mutmaßlich wollte Biden ein bisschen Sonne tanken. Aber Kritiker fühlten sich an Aufnahmen des halb nackten russischen Präsidenten Wladimir Putin erinnert, mit denen dieser seine Männlichkeit zur Schau stellen wollte. 

Man darf Bidens Beratern unterstellen, dass sie etwas subtiler arbeiten. So ist es wohl kein Zufall, dass die Zeitschrift Women's Health in diesem Monat mit einer Titelgeschichte über die First Lady Jill Biden erscheint. Die durchtrainierte 72-Jährige, die früher Marathon lief, präsentiert sich als selbstbewusste und eigenständige Frau. An ihrem Mann, berichtet die Lehrerin, habe sie von Anfang an dessen "Stärke" angezogen.

Die schönen Hochglanzbilder für die Homestory wurden vor ein paar Wochen an der Küste von Delaware geschossen. Hier, jenseits einer Straße und ein paar hundert Meter vom Atlantik entfernt, haben die Bidens 2017 ein blaues Ferienhaus gekauft, das sie bei einer Fahrradtour entdeckten. Mit 400 Quadratmetern bietet das zweigeschossige Gebäude genug Platz für die Familie mit Kindern und Enkeln, die gelegentlich zu Besuch kommen. Es hat aber nichts von dem neureichen Protz des mehr als zehnmal so großen Luxus-Anwesens Mar-a-Lago in Florida, wo Trump seine Tage am Meer verbringt. 

Der Präsident und seine Frau verhalten sich betont unauffällig

Ohnehin könnte der Kontrast zwischen Biden und seinem Vorgänger selbst im Urlaub nicht größer sein. Während Trump gerne "Alle sind eingeladen!" herausposaunt, wenn er ein Lokal betritt, verhalten sich der Präsident und seine Frau bei Matt's Fish Camp betont unauffällig. Nach kaum einer Stunde verlassen sie den Laden durch einen Hinterausgang. In dem Kino, wo sie anschließend den Blockbuster "Oppenheimer" schauen, werden sie kaum bemerkt. Draußen würde Trump sicher vor jeder Kamera anhalten. Biden liefert bei seinen täglichen Radtouren nur freundliche Bilder ohne Ton. 

"How are you?", ruft er einmal im Vorbeifahren den wartenden Reportern zu. Das ist nicht mehr als eine Höflichkeitsfloskel. Als sich ein Journalist erkundigt, wie die Ferien so laufen, erwidert Biden: "Bei diesem Wetter kann man sich schwer beklagen." Eine Schlagzeile lässt sich daraus kaum basteln. 

Andererseits würden bei Trump sofort hunderte begeisterte Fans mit Fahnen auf der Straße stehen, um ihrem Idol zuzujubeln. Bei Biden ist die Schar der Schaulustigen und Unterstützer sehr überschaubar. Kaum mehr als zwei Dutzend Menschen warten auf ihn, wenn er morgens in den Cape Henlopen State Park einbiegt. Einige applaudieren. Einmal ruft jemand: "Four more years!" – vier weitere Jahre, mit Blick auf die Amtszeit eines US-Präsidenten.

Eine Frau sagt über Biden: "Er ist einfach zu alt"

Euphorie sieht anders aus. Das gilt auch für Terry und Donna, die hier in der Nähe wohnen. Um kurz vor elf Uhr warten die beiden Mittsechzigerinnen am Parkplatz vor dem Naturschutzgebiet auf den prominenten Besucher. "Ich habe ihn gewählt", berichtet Donna. Biden sei ihr wirklich sympathisch. Kurz darauf strampelt der Präsident in blauen Shorts und weißem T-Shirt vorbei. "Wow" und "huhu" rufen die Wartenden. Terry macht schnell ein Handyfoto. 

Die Aussicht auf eine erneute Kandidatur Bidens begeistert die beiden Damen trotzdem nicht. "Ich sähe lieber jemand Jüngeres", gesteht Donna. Mit gedämpfter Stimme fügt sie hinzu: "Er ist einfach zu alt."

 
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