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Berlin/Münster
Was das Gerichtsurteil für die AfD bedeutet
Seit Jahren wehrt sich die AfD gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Vor Gericht erleidet sie nun eine Niederlage. Trotzdem warnen Experten vor zu hohen Erwartungen.
Urteil im Berufungsverfahren im Streit um die Einstufung der AfD.jpeg       -  Gerald Buck, Vorsitzender Richter am OVG, verkündete das Urteil. Die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ist nach einem Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts rechtens.
Foto: Guido Kirchner, dpa | Gerald Buck, Vorsitzender Richter am OVG, verkündete das Urteil. Die Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ist nach einem Urteil des ...
Margit Hufnagel
 |  aktualisiert: 17.05.2024 02:45 Uhr

Die Beweise genügten den Richtern des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts: Der Verfassungsschutz darf die AfD auch künftig als extremistischen Verdachtsfall einstufen und beobachten. Es gebe „hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für Bestrebungen der AfD, „die gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen sowie gegen das Demokratieprinzip gerichtet sind“, sagte Gerald Buck, Vorsitzender Richter des 5. Senats. In der AfD würden „in großem Umfang herabwürdigende Begriffe gegenüber Flüchtlingen und Muslimen verwendet“. Eine solche Abwertung sei laut Grundgesetz eine „unzulässige Diskriminierung“. Deshalb sei am Vorgehen der Verfassungsschützer nichts auszusetzen. Damit ist ein Schlussstrich unter einen jahrelangen Rechtsstreit gezogen – wenn auch nur vorläufig. Die Partei kündigte an, in die nächste Instanz gehen zu wollen und beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde einzulegen. 

Trotzdem zeigten sich Vertreter der anderen Parteien erleichtert über das Urteil. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bezeichnete es „als richtungsweisend und starkes Zeichen einer wehrhaften Demokratie und eines funktionierenden Rechtsstaats“. „Das Urteil bestätigt, dass die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern die extremistischen Strömungen innerhalb der AfD zu Recht genau im Blick haben“, sagte der CSU-Politiker unserer Redaktion. Die Entscheidung stärke somit auch die künftige Arbeit der Verfassungsschützer. 

Verfassungsschutz darf V-Leute auf die AfD ansetzen

Nach dem Urteil darf der Verfassungsschutz die Partei weiterhin mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachten. Dazu zählen unter anderem die Observation und das Einholen von Auskünften über Informanten (V-Leute) aus der jeweiligen Szene. Normalerweise dauert eine Beobachtung zwei Jahre, dann muss das Amt offenlegen, ob es die AfD als gesichert rechtsextremistisch einstuft. Mehrere Landesverbände – darunter Thüringen und Sachsen – fallen bereits in diese Kategorie. Auswirkungen etwa auf die Teilnahme an Wahlen hat das allerdings nicht. Aber auf die Mitglieder: Für Staatsbedienstete im öffentlichen Dienst gilt das sogenannte Mäßigungsgebot, sie dürfen kein Mitglied extremistischer Organisationen sein. Die Hoffnung vieler AfD-Kritiker ist zudem, dass die behördliche Einstufung Folgen hat auf das Verhalten der Wählerinnen und Wähler.

Tatsächlich kommt das Urteil in einer für die AfD schwierigen Zeit. Zuletzt waren ihre Umfragewerte deutlich gesunken. Von 20 auf 16 bis 18 Prozent war die Zahl jener gesunken, die aktuell der Rechtspartei ihre Stimme geben würden. Als Gründe vermuten Experten zum einen die politischen Skandale rund um die EU-Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron. Beide waren im Zusammenhang mit ausländischer Spionage in die Schlagzeilen geraten. Aber auch die Neugründung der Wagenknecht-Partei dürfte Wähler von der AfD abziehen. 

Wird das Urteil der AfD schaden?

Ob die Beobachtung durch den Verfassungsschutz den Stimmenverlust beschleunigt, ist allerdings umstritten. „Das befördert den Abstieg“, glaubt der Berliner Autor und Politikwissenschaftler Hajo Funke. Anders sieht es Jürgen Falter. „Ich fürchte, die Gegner der AfD machen sich da zu große Hoffnungen – zumindest, wenn man die Auswirkungen auf die AfD-Kernanhängerschaft anschaut“, sagte der Mainzer Parteienforscher. Gerade die misstraue staatlichen Institutionen und Gerichten und dürfte sich in ihrer Haltung, dass die AfD verfolgt werde, noch bestätigt sehen. Auch vor einer erneuten Debatte über ein Verbotsverfahren gegen die AfD warnt Falter. „Das ist viel zu riskant“, sagt er. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass ein Verbotsverfahren scheitern würde. Das Bundesverfassungsgericht hat dafür sehr hohe Hürden aufgestellt.“

 
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