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Berlin
Die K-Frage: Wer könnte Friedrich Merz beerben?
Der CDU-Chef hat eine ungemütliche Woche hinter sich. Längst geht es nicht mehr nur um seine Äußerung zur AfD, sondern um seine grundsätzliche Eignung als Kanzlerkandidat.
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Foto: Dominik Asbach/ZDF, dpa | Friedrich Merz steht in der Kritik – auch in der eigenen Partei.
Margit Hufnagel, Stefan Lange
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:01 Uhr

Es hätten ein paar ruhige Tage werden können für den Chef der CDU. Der Sommer legt sich allen Krisen zum Trotz wie ein großer Schallschlucker über das politische Berlin. Kein Wüten über das Heizungsgesetz, keine neuen Forderungen aus der Ukraine, kein Gezänk zwischen FDP und Grünen. Das Aufregendste, was die Hauptstadt gerade zu bieten hat, war ein entlaufener Löwe, der sich als Wildschwein entpuppte. Doch in der Union treibt man nun seine ganz eigene Sau durchs Dorf: Wieder einmal geht es um die Kanzlerfrage. Losgetreten ausgerechnet von dem Mann, der es doch besser machen wollte. Ein interpretierbarer Halbsatz in einem Interview reichte aus, um seine Kritiker von der Leine zu lassen. Gestritten wird längst nicht mehr nur über den Umgang mit der AfD, sondern über die Frage, ob Friedrich Merz der Richtige ist

„Friedrich der Falsche“ titelt die Zeitschrift Stern in ihrer neuen Ausgabe. Merz scheitere „arrogant und ungeschickt“ beim Kampf gegen die Ampel und die AfD immer wieder an sich selbst. „Kann er so Kanzler werden?“, fragt das Magazin eher rhetorisch. Merz könnte solche Schlagzeilen als die übliche mediale Zuspitzung beiseiteschieben. „Die inhaltliche Erneuerung der CDU kommt gut voran“, entgegnet er in gewohnter Manier. „Das sind die entscheidenden Aufgaben, die wir heute haben. Nicht Spekulationen über Koalitionen oder gar Personaldebatten.“ 

Nur: Wer dieser Tage mit dem Spitzenpersonal der Christdemokraten telefoniert, hat das Wort „Merz“ noch gar nicht ganz ausgesprochen, da sprudelt die Kritik an ihm schon hervor. Viele vergleichen die angespannte Lage mit dem Streit in CDU und CSUüber die Flüchtlingspolitik. Union wie Regierung standen damals kurz vor der Implosion. Der Unterschied zu 2015 ist, dass es in jenen Tagen um verschiedene Positionen ging. Heute geht es um eine Person – an der viele freilich die Grundhaltung der CDU festmachen. 

Wüst, Günther, Söder: Die Konkurrenz für Merz

Dass so mancher in der CDU die Nerven verliert, liegt nicht nur an der AfD-Äußerung des Parteichefs. Die Union kann trotz des Dauerkrachs der Ampel in den Umfragen nicht profitieren. Doch bis zur nächsten Bundestagswahl sind es eben auch noch mehr als zwei Jahre. „Wenn die Partei keinen Fehler machen will, kann man ihr nur raten, jetzt keine Personaldebatten zu führen“, sagt Ursula Münch. „Das ist viel zu früh.“ Die Kunst guter Führung bestehe deshalb nun darin, diese Debatte wieder einzufangen, sagt die Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing. Ohnehin müsse sich die Union eines vor Augen führen: „Natürlich weckt Friedrich Merz nur bei einem Teil der CDU-Mitglieder Begeisterung – aber das gilt doch für die anderen auch.“ 

„Die anderen“, das sind drei Männer, deren Namen besonders häufig genannt werden in der Kanzlerdebatte: der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst, sein Amtskollege Daniel Günther aus Schleswig-Holstein und der bayerische Ministerpräsident Markus Söder. In ihren Bundesländern sind alle drei unumstritten. Doch bundesweit sieht es anders aus. Wüst gilt als der menschliche Gegenentwurf zu Merz, aber genau das könnte ihm zum Problem werden. Gerade in Ostdeutschland, wo die AfD ungeahnte Umfragehöhen erreicht und die Union die rechts-konservative Klientel zurückgewinnen muss, dürfte der Zuspruch zu einem CDU-Kanzlerkandidaten, der seine Partei zur Mittigkeit und zum Pragmatismus aufruft, eher überschaubar sein. Merz bezeichnet Kinder von Migranten als kleine Paschas, Wüst nennt sie „unsere Kinder“. Merz geht auf maximale Distanz zu Angela Merkel, Wüst verleiht ihr den NRW-Staatspreis.

Daniel Günther trägt den Spitzname „Genosse Daniel“

Daniel Günther wiederum hat in der CDU den Spitznamen „Genosse Daniel“ verpasst bekommen. Merz dürfte kaum vergessen haben, dass es der Mann aus dem hohen Norden war, der „älteren Männern, die vielleicht nicht das in ihrem Leben erreicht haben, was sie wollten, und nun alte Rechnungen begleichen möchten“, einmal empfohlen hatte, ihr Gejammer „von der Seitenlinie“ einzustellen. Während Merz einem Teil der potenziellen CDU-Wählerinnen und -Wähler zu konservativ ist, ist Günther ihnen zu sozial-liberal. Auch die Schwesterpartei CSU, die in der K-Frage mitreden will und wird, dürfte sich kaum hinter einen KanzlerkandidatenGünther stellen. Trotz seines beachtlichen Ergebnisses von 43,4 Prozent bei der letzten Landtagswahl wird er im Süden der Republik eher belächelt. 

Und Markus Söder? Doch der muss erst einmal die bayerische Landtagswahl hinter sich bringen, ehe er sich in die Streitereien im Konrad-Adenauer-Haus einmischt. Seine Querschüsse beim letzten Bundestagswahlkampf stecken der gesamten Partei noch in den Knochen. 

Doch dass sich die CSU diesmal ganz zurückhält, darauf dürfte man in der CDU aber kaum hoffen. Für die Bayern ist eine starke Schwesterpartei, die nicht durch schlechte Umfrageergebnisse auffällt, von großer Bedeutung. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes Civey glauben schon jetzt 46 Prozent der Befragten, dass Merz dem Landtagswahlkampf schadet.

„Merz‘ Rivalen mögen manches besser machen, aber dafür verlieren sie auf anderen Feldern“, sagt Politikwissenschaftlerin Münch. Die CDU sei – wie viele andere Parteien auch – in zwei Lager geteilt: Merkelianer und Anti-Merkelianer. „Hendrik Wüst hätte ganz schnell die Merkel-Gegner gegen sich“, prophezeit sie. „Mit ihm hat die CDU doch gleich die nächste Debatte.“ Das zeigten anschaulich die Reaktionen auf den früheren saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans. Der hatte sich besonders deutlich von Merz distanziert. Die Reaktion aus dem Merz-Lager ließ nicht lange auf sich warten. „Tobias Hans spricht daher nicht für die CDU Saar, sondern handelt allein auf eigene Rechnung“, so der saarländische CDU-Generalsekretär Frank Wagner. „Angesichts der eigenen Bilanz wäre ohnehin eine Portion Demut angebrachter, als sich jetzt ungefragt als Ratgeber der Republik zu betätigen.“

Die CDU hat keine Frauen, die in die erste politische Reihe drängen

Bleibt noch eine Gruppe, der man nachsagt, dass sie mit das größte Problem mit Merz hat: die Frauen. In einer Forsa-Umfrage zeigte sich das jüngst in Zahlen: 23 Prozent der Männer sprechen sich für Friedrich Merz als Kanzler aus, aber nur 16 Prozent der Frauen. Doch ausgerechnet vom weiblichen Teil seiner Partei hat der Sauerländer gerade keine Konkurrenz zu befürchten. „Dadurch, dass es derzeit keine CDU-Ministerpräsidentin gibt, gibt es auch keine Frau, die wirklich sichtbar ist in der Öffentlichkeit“, sagt Münch. Auch alle Spitzenposten innerhalb der CDU– Parteichef, Fraktionschef, Generalsekretär – sind von Männern besetzt. „Die CDU hat im Vergleich zu Parteien links der Mitte immer das Problem, dass sie für politisch interessierte Frauen weniger attraktiv ist“, sagt die Politikexpertin. Konservative Frauen würden sich häufiger eher in Verbänden oder in den Kirchen engagieren. 

Viel werde für Merz in den kommenden Monaten davon abhängen, ob er das Ruder herumreißen könne und ob die Umfragewerte endlich nach oben zeigten, heißt es in der CDU. Bis zum Spätsommer 2024 soll ein Spitzenkandidat für die Bundestagswahl präsentiert werden. Vorher schon, am 9. Juni, sind Europawahlen. Sie gelten inzwischen als letzte Chance für Merz.

Ursula Münch rät der Partei allerdings auch, den Blick nicht nur auf den Vorsitzenden zu richten. Vielen Wählerinnen und Wählern, die mit der Ampel hadern, sei sehr wohl bewusst, dass die CDU keineswegs so stark auf Konfrontationskurs mit den Grünen ist, wie es den Anschein machen soll. Deshalb könne die Union kaum von der Kritik an der Ampelregierung profitieren. In sechs Bundesländern bildet die CDU eine Koalition mit der Öko-Partei. „Und selbstverständlich ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass die nächste Bundesregierung aus Union und Grünen besteht – wenn es für die SPD nicht mehr reicht“, sagt Münch. „Woher sollte die Union denn sonst ihre Koalitionspartner nehmen? Die Leute sind doch nicht blöd.“ 

 
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