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Augsburg
Wird das neue Heizungsgesetz zum Krisenbeschleuniger?
Das neue Gebäudeenergiegesetz droht laut Fachleuten die Krise am Bau zu verschärfen. Ist der Schaden schon jetzt größer als der Nutzen?
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Foto: Arno Burgi, dpa (Archivbild) | Sogar Heizräume wie hinter dieser Tür bergen nun politische Brisanz: Der Grund sind die Heizungsgesetz-Pläne der Ampel-Regierung.
Michael Pohl
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:38 Uhr

Fachleute aus der Wohnungs- und Baubranche wie der Leiter der Gebäudesparte des milliardenschweren Rehau-Konzerns, Roger Schönborn, berichten angesichts des geplanten Heizungsgesetzes von einer besorgniserregenden Entwicklung. Der Ansturm auf Öl- und Gasheizungen und der Bedarf an Installateuren sei inzwischen so groß, dass bereits andere Teile der Baubranche darunter litten, erklärt der Zulieferer-Manager. 

„Die Sanitärbranche hängt in den Seilen“, sagt Schönborn. „Wir sehen, dass einzelne Hersteller bereits auf Kurzarbeit gehen, weil sich alles auf Heiztechnik konzentriert.“ Doch beim Heizungstausch stehe nicht der Klimaschutz im Vordergrund. „Wir sehen, dass die Idee, Wärmepumpen einzusetzen, konterkariert wird, die Nachfrage gilt vor allem neuen Gas- und Ölkesseln.“ Dazu komme eine giftige Mixtur aus Inflation, Kostensteigerungen und gestiegenen Zinsen. „Wir spielen der AfD die Wähler in die offenen Arme“, warnt der Manager.

Umstrittenes Heizungsgesetz soll am Freitag beschlossen werden

Das umstrittene Gebäudeenergiegesetz kehrt diese Woche samt Streit auf die politische Tagesordnung zurück. Am Freitag wollen es die Koalitionsparteien endgültig beschließen, nach dem sich SPD, Grüne und FDP in langen Nachtsitzungen vor der Sommerpause auf deutliche Veränderungen und Kompromisse geeinigt hatten.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Berliner Justizsenator Thomas Heilmann hatte mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht den Koalitionsplan zunichtegemacht, das Gesetz noch in der letzten Sitzung vor den Parlamentsferien durch den Bundestag zu peitschen, und setzte mehr Beratungszeit durch. Viele der Expertinnen und Experten, die die Unionsfraktion nun zu einer Anhörung am Montag eingeladen hat, warnen ähnlich wie Rehau-Manager Schönborn vor einem massiven Vertrauensverlust, der in der Bevölkerung durch die desaströse Debatte um das Heizungsgesetz entstanden sei.

Heizungsgesetz bremst Sanierungen aus

„Die Regierung verfehlt mit dem, was sie macht, total ihre Ziele“, kritisiert der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Sanitär Heizung, Helmut Bramann. Die Verunsicherung über künftige Regeln und Förderungen sei so groß, dass zahllose Privatleute und Wohnfirmen geplante Wärmesanierungen verschieben oder ganz aufgegeben haben. „Wir haben einen echten Marktabriss in der Modernisierung des Bestandes“, sagt Bramann. Die Krise am Bau drohe nun auch auf weitere Bereiche überzugreifen. „Was wir beim Wohnungsneubau erleben, zeichnet sich auch in unserer Branche der Sanierung ab“, berichtet der Verbandsmann von immer mehr Stornierungen.

Auch der Vertreter der Heizungsindustrie, Norbert Azuma-Dicke, erklärt, dass in seiner Branche 85 Prozent der Betriebe negativ oder sehr negativ auf die Geschäftsentwicklung des kommenden Jahres blickten. Vor der geplanten Neufassung des Heizungsgesetzes habe die Branche noch Rekordaufträge verbucht. „Allein im letzten Jahr konnten durch Heizungsaustausch 2,2 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.“ Doch nun herrsche Panik. 

Nachfrage nach Wärmepumpen bricht ein

Verlierer ist ausgerechnet die klimafreundliche Wärmepumpe. „Das Chaos hat den Markt enorm verunsichert“, sagt Gebäudeexpertin Ute Czylwik von der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz, Denef. Sie verweist darauf, dass die Anträge auf Fördermittel für Wärmepumpen beim zuständigen Bundesamt Bafa im ersten Halbjahr massiv eingebrochen sind. Im ersten Halbjahr verzeichnete das Bafa 48.800 Förderanträge, im Vorjahreszeitraum waren es noch exakt doppelt so viele.

Wird das Gesetz, wenn es beschlossen ist, für eine Trendwende sorgen? Auch daran zweifeln die angehörten Fachleute angesichts der Krise am Bau und der noch immer unklaren Fördermittel. Mieterverbandspräsident Lukas Siebenkotten verweist darauf, dass Vermieter gegenüber Privateigentümern, die selbst ihre Immobilie bewohnen, bei den Fördermitteln deutlich benachteiligt seien. Nur die Selbstnutzer hätten Anspruch auf den geplanten Sozialbonus oder sogenannten „Speedbonus“, wenn sie die Heizung schnell klimafreundlich umrüsteten. „Das halte ich für eine völlige Schieflage“, sagt der Mieterschützer.

Auch der Verband der Wohnungswirtschaft GdW, der auch die kommunalen und gemeinwirtschaftlichen Sozialwohnungsunternehmen vertritt, kritisiert, dass das neue Gesetz die Sanierung von Mehrfamilienhäusern mit neuen Staffelungen sogar deutlich schlechter stellen würde. „Bei größeren Mehrfamilienhäusern könnte es nur noch zu einem Drittel des Fördervolumens kommen als früher“, warnt GdW-Expertin Ingeborg Esser. „Das geht zulasten der Vermieter.“ Durch die hohen Sanierungskosten würde der Spielraum für Neubauprojekte der Wohnungsbauunternehmen noch weiter schwinden. „Die Unternehmen und Vermieter haben jeden Euro nur einmal zur Verfügung“, mahnt sie.

 
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