Wenn sich die Nato-Partner Anfang Juli zum großen Jubiläumsgipfel in Washington treffen, dürfte sich die Allianz mit allem Pomp und Gloria feiern, den die US-Amerikaner zu bieten haben. Immerhin, das Bündnis begeht seinen 75. Geburtstag. Noch aber arbeiten sich die Verbündeten an der Liste zur Vorbereitung des Festakts ab – und die ist lang. Zumindest einen Punkt konnten die Verteidigungsminister an diesem Donnerstag und Freitag in Brüssel abhaken. Sie beschlossen einen Operationsplan, um die Unterstützung der kriegsgebeutelten Ukraine auszubauen. So will die Nato die Waffenlieferungen der westlichen Länder an die Ukraine und die Ausbildungsaktivitäten der ukrainischen Streitkräfte koordinieren und organisieren. Dabei übernimmt Deutschland eine Schlüsselrolle. Denn das Hauptquartier der neuen Abteilung soll in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden angesiedelt werden.
Final will der Nordatlantikrat die Änderung beim Juli-Gipfel absegnen. Es geht darum, die Unterstützung, die derzeit über die vom US-Verteidigungsministerium geführte Ramstein-Gruppe eher ad hoc und informell organisiert wird, auf feste Füße zu stellen. Diplomaten sprachen auch davon, sie „Trump-sicher“ zu machen. Der US-amerikanische Präsidentschaftskandidat ist dieser Tage der Elefant im Raum jedes Bündnistreffens. Die Sorge vor einer zweiten Amtszeit des Nato-Kritikers ist groß. Indem die Allianz nun Aufgaben aus der Ramstein-Gruppe in die Allianz überführt, koppelt sie die Ukraine-Unterstützung ein wenig von der politischen Wetterlage in Washington ab.
Nato: Die Blockade durch Ungarn ist gelöst
Zuvor hatte Ungarn wochenlang gegen die Pläne quergeschossen. Deshalb war Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch nach Budapest gereist und hatte Putin-Freund Viktor Orbán persönlich bearbeitet und überzeugt, den Widerstand aufzugeben. „Ungarn hat klargemacht, dass es nicht vorhat, Entscheidungen in der Nato zu blockieren", so der Norweger. Die Orbán-Regierung, die militärisch und finanziell nichts mit dem Krieg in der Ukraine zu tun haben will, erhielt ein Opt-out. Der Deal: Orbán legt kein Veto ein und ist im Gegenzug nicht gezwungen, sich an der Mission zu beteiligen.
Wobei Mission das falsche Wort ist, zumindest aus Sicht der Deutschen. Eigentlich sollte das Projekt ungewohnt verständlich „Nato Mission Ukraine“ heißen, aber die Bundesrepublik sträubte sich. Unter der Bezeichnung, so die Kritik aus Berlin, könne man verstehen, dass der Einsatz von Nato-Soldaten in der Ukraine geplant sei, womöglich gar der Eintritt in den Krieg. Die Partner reagierten zwar irritiert über den „bizarren“ Einwand Deutschlands, gaben aber nach.
Neuer Titel der Nato-Mission: NSATU
Die Mission trägt nun die sperrig klingende Abkürzung NSATU. Sie steht für „Nato Security Assistance and Training for Ukraine“. Die Bemühungen, bei der fast 700 Personen beteiligt sein sollen, „machen die Nato nicht zu einer Partei des Konflikts, aber sie werden unsere Unterstützung für die Ukraine verbessern“, sagte Stoltenberg und es klang wie eine Versicherung in Richtung Berlin.
Für Diskussionen sorgte die Dauerfrage, was die Nato der Ukraine in Sachen Beitritt anzubieten hat. Während einige der 32 Mitgliedstaaten fordern, „die Sprache von Vilnius“ solle sich fortentwickeln, pocht der Großteil auf die Formulierung, die die Nato beim Gipfel in der litauischen Hauptstadt 2023 nach hitzigen Debatten gefunden hatte. „Eine formelle Einladung wird es nicht geben“, war hinter den Kulissen zu hören, genauso wenig wie einen Zeitplan oder gar ein konkretes Datum.
Hängepartie um neuen Nato-Generalsekretär Mark Rutte
Akuter dürfte ohnehin Wolodymyr Selenskyjs Forderung nach sieben Luftverteidigungssystemen sein, die das Land benötige, um sich gegen Russlands Angriffe zu verteidigen. Doch auch da hapert es. Kaum ein Diplomat glaubt daran, dass die Nato bis Juli auf sieben Patriot-Staffeln kommt. Deutschland hat bereits drei von seinen vier Systemen abgegeben. Einige der Gründe für die Nichtlieferung lösten in Brüssel Kopfschütteln aus. Frankreich verwies auf den Eigenbedarf, da es mit seiner Flugabwehr die Olympischen Spiele in Paris schützen müsse. „Zeigen Sie mir einen Fall, bei dem ein internationales Sportereignis mit Raketen aus der Luft angegriffen wurde“, kritisierte ein Offizieller.
Und dann wäre da noch der vermeintlich einfachste Punkt auf der To-do-Liste: die Stoltenberg-Nachfolge. Eigentlich haben sich die Verbündeten bereits auf den scheidenden niederländischen Regierungschef Mark Rutte geeinigt. Eigentlich. Denn der rumänische Präsident Klaus Iohannis will bislang – unterstützt von Ungarn – nicht von seiner Kandidatur ablassen. Ob sich der Streit um den Chefposten bis Juli lösen wird? Wenn es die Nato nicht hinbekäme, sich beim Gipfel auf Rutte zu verständigen, so meinte ein hochrangiger Bündnisvertreter, wäre das „der GAU“.