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Frankfurt
Was hinter der Razzia gegen türkische Journalisten in Deutschland steckt
Der Konflikt zwischen der Gülen-Bewegung und der türkischen Regierung auf deutschem Boden verschärft sich. Bei Razzien nahm die Polizei zwei Journalisten fest.
Vor den Wahlen in der Türkei.jpeg       -  Der Konflikt zwischen Erdogans Regierung und der Gülen-Bewegung wird auch über die Medien geschürt.
Foto: Emrah Gurel, dpa | Der Konflikt zwischen Erdogans Regierung und der Gülen-Bewegung wird auch über die Medien geschürt.
Stefanie Schoene
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:53 Uhr

Es ist morgens, sechs Uhr. Beamte der Polizei Südhessen klingeln an der Tür von Ismail Erel. Zwei Stunden durchsuchen sie seine Wohnung und nehmen den Journalisten mit zur Wache nach Darmstadt. Das berichtet er selbst unserer Redaktion am Telefon, kurz nachdem er wieder auf freien Fuß kommt. „Sie haben mich behandelt wie einen Verbrecher.“ Doch wie kam es überhaupt zu dem Einsatz?

Wie die Polizei und die zuständige politische Abteilung der StaatsanwaltschaftDarmstadt bestätigen, wurden in einem Dorf bei Frankfurt am vergangenen Mittwoch zwei Männer wegen „gefährdender Verbreitung personenbezogener Daten“ festgenommen und später wieder freigelassen. Weitere Angaben machen die Behörden nicht.

Die festgenommenen Journalisten arbeiten für die Tageszeitung Sabah

Fakt ist: Beide Verdächtige sind leitende Redakteure der Europa-Ausgabe der türkischen Tageszeitung Sabah („Der Morgen"). In Ankara sorgte die Razzia im fernen Hessen für Verstimmung. Noch am selben Tag bestellte der türkische Außenminister den Botschafter ein. Nach Informationen unserer Redaktion brachte eine Sabah-Veröffentlichung vom September letzten Jahres die Ermittlungen ins Rollen. 

„Der Killer und seine Lügen-Höhle“, lautete die Schlagzeile des Artikels. Abgebildet war der Enthüllungs-Publizist Cevheri Güven. Weitere Fotos zeigen Haus und Straße in einem Dorf bei Frankfurt, wo er seit seiner Flucht 2019 lebt. Er sei der „Propaganda-Imam“ der „fethullahistischen Terrorganisation“, schrieb der Autor. Gemeint ist die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen. Die Gülen-Bewegung war in den Putschversuch von 2016 in der Türkei verwickelt. Seither jagt der türkische Staat deren Anhänger weltweit. Auch viele Journalisten sitzen in Haft. Andere, wie Cevheri Güven, schafften es außer Landes. 

Von Deutschland aus wird auch Stimmung gegen Erdogan gemacht

Von Deutschland aus betreibt Güven heute einen Youtube-Kanal. In schneller Folge enthüllt er dort angebliche Verwicklungen der Erdogan-Familie und der Regierungs-Minister in milliardenschwere dunkle Geschäfte. Drogen, Waffen, Rauschgift, Korruption. Quellen nennt er keine, die Inhalte lassen sich nicht überprüfen. Doch die Videos haben bis zu 1,5 Millionen Aufrufe, nach seinen Angaben vor allem aus der Türkei. Zwar ist der Kanal dort verboten, doch die Sperre lässt sich leicht umgehen. 

In Deutschland schüren beide Lager das Feuer. Schon im letzten Jahr kam es zu einem Gerangel zwischen Sabah-Leuten und dem Gülen-Botschafter in Deutschland, Ercan Karakoyun. Auf der Frankfurter Buchmesse gerieten dieser und Ismail Erel am Stand der International Journalists Association (IJA) in einen handfesten Streit. Die IJA ist eine der vielen Gülen-nahen intransparenten Vereine, die sich in Deutschland als Einzelorganisationen präsentieren, jedoch zum Netzwerk gehören. 2020 wurde sie von geflohenen Journalisten gegründet. 

Der Vorsitzende, Fatih Koc, erklärt in einem Gespräch, der Verein gehöre nicht zur Bewegung. Recherchen zeigen allerdings: Die IJA arbeitet in Deutschland mit anderen Organisationen des Gülen-Netzwerks zusammen, und Journalisten des Vereins stammen aus dem früheren Medienimperium der Gülen-Bewegung in der Türkei. Ihre Fernsehkanäle, Zeitschriften, Zeitungen und die größte Tageszeitung des Landes waren berüchtigt für strategisch angelegte Kampagnen, mit denen sie ihre Gegner abräumten.

Die Türkei stellte im letzten Jahr einen Auslieferungsantrag gegen Cevheri Güven, seither steht er unter Polizeischutz. Er bestätigt, dass er gegen die Verantwortlichen der Sabah Anzeige erstattet hatte. „Sie stacheln die Fanatiker unter den Türken hier in Deutschland an“, sagt er im Gespräch. Der Konflikt zwischen der Gülen-Bewegung und der türkischen Regierung wird längst auch in Deutschland ausgetragen.

 
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