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Moskau
Putins Rückzieher: Nun spricht der Präsident doch von islamistischer Tat
Der Anschlag zeigt, dass der Präsident sein Sicherheitsversprechen nicht einlösen kann. Jetzt wird in Russland über die Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert. Foltergerüchte bleiben unkommentiert.
Nach dem Anschlag bei Moskau - Moskau.jpeg       -  Ein Tatverdächtiger des Terroranschlags auf die Konzerthalle 'Crocus City Hall' wird von Sicherheitskräften zur Vorführung in einen Moskauer Gerichtssaal gebracht.
Foto: A. Zemlianichenko, AP/dpa | Ein Tatverdächtiger des Terroranschlags auf die Konzerthalle "Crocus City Hall" wird von Sicherheitskräften zur Vorführung in einen Moskauer Gerichtssaal gebracht.
Simon Kaminski
 |  aktualisiert: 30.03.2024 02:44 Uhr

Erst schwieg Wladimir Putin, dann fand er zu einer Tonart zurück, die seine Anhänger und Gegner weltweit von ihm erwarten: Alle, die für den Anschlag auf das Kulturzentrum Crocus City Hall im Nordwesten Moskaus mit mindestens 137 Todesopfern verantwortlich seien, würden bestraft, so der Kremlchef. 

Allerdings wich Putin von seiner ursprünglichen Linie ab, in der er eine „ukrainische Spur“ hinter der Bluttat vermutet hatte. Der Terroranschlag ist nach den Worten des Kremlchefs von Islamisten verübt worden. „Wir wissen, dass das Verbrechen von radikalen Islamisten begangen wurde, deren Ideologie die islamische Welt selbst seit Jahrhunderten bekämpft“, sagte Putin am Montagabend bei einer Veranstaltung zur Aufarbeitung des Anschlags. 

Putin sieht weiterhin mögliche Verbindungen der Täter in die Ukraine

„Wir wissen nun, wessen Hände dieses Verbrechen gegen Russland und sein Volk verübten, jetzt wollen wir wissen, wer der Auftraggeber ist.“ Demnach sollte weiterhin geklärt werden, warum die Terroristen nach der Bluttat in die Ukraine entkommen wollten. „Und wer sie dort erwartet hatte“, fügte der frisch wiedergewählte Autokrat hinzu. 

Experten halten die mit Videosequenzen belegte Selbstbezichtigung des IS-Ablegers „Islamischer Staat Provinz Khorasan“ (ISPK), die ihren Ursprung in Afghanistan hat, für authentisch. Hinweise darauf, dass die Spuren des Verbrechens nach Kiew führen, wurden nicht vorgelegt. Die ukrainische Führung hatte die Vorwürfe umgehend strikt zugewiesen. 

Sein Sicherheitsversprechen kann der Präsident offensichtlich nicht einlösen

Der Präsident steht vor einem Dilemma. Denn sein Versprechen, für Sicherheit zu sorgen, kann er offensichtlich nicht einlösen. Nun versucht er zu verhindern, dass Berichte über die Täterschaft des IS-Ablegers an die breite Öffentlichkeit geraten. Sonst würde ans Tageslicht kommen, dass die allgegenwärtigen Sicherheitsbehörden die islamistische Gefahr nicht nur unterschätzt haben, sondern klare Warnungen aus den USA vor einem drohenden Anschlag in den Wind geschlagen haben. 

Nach dem Schock vom vergangenen Freitag wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. In der russischen Hauptstadt und im Moskauer Umland wurden alle Großveranstaltungen abgesagt. Theater, Kinos und Museen blieben über das Wochenende geschlossen. Auch der Rote Platz in Moskau war abgesperrt. In der ganzen Stadt gab es ein verstärktes Aufgebot von Uniformierten. Zu Hunderten folgten Menschen Behördenaufrufen, für die vielen Verletzten Blut zu spenden. 

Noch am Montag wurd ein der Trümmern der Halle nach Opfern gesucht

Die Crocus-Hall liegt in Trümmern – auch am Montag wurde mit speziell ausgebildeten Suchhunden nach weiteren Opfern gesucht. Nach Auskunft der Leiterin der Gesundheitsverwaltung im Gebiet Moskau, Ljudmila Bolatajewa, werden 97 in Kliniken behandelt – eine vergleichbare Zahl von Männern, Frauen und Kindern konnte die Kliniken verlassen. Vor dem Saal legten Tausende Menschen Blumen für die Opfer nieder. 

Vier mutmaßliche Haupttäter sind nach Behördenangaben bereits am Samstag festgenommen worden. Am Sonntagabend wurden sie in Moskau der Justiz vorgeführt und in Haft genommen – sie haben die Tat gestanden. Bilder von den Männern im Gerichtssaal wurden ausführlich im Staatsfernsehen gezeigt. Sie wiesen deutliche Spuren von Verletzungen auf. Kremlsprecher Dmitri Peskow wollte sich nicht zu den zahlreichen Berichten über die mutmaßliche Folter von Tatverdächtigen durch russische Sicherheitskräfte äußern. Zu einem Journalisten, der auf die Verletzungen der Männer und auf Foltervideos hinwies, sagte Peskow lediglich: „Ich lasse diese Frage unbeantwortet.“ 

In Russland wird nun über die Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert

Unmittelbar nach den Anschlägen setzte in Russland eine Diskussion über die Wiedereinführung der Todesstrafe ein. Solche Forderungen kamen auch aus der Kremlpartei Geeintes Russland. 

Die Frage ist, welche Auswirkungen der Terroranschlag auf den Ukrainekrieg haben wird. In Russland gibt es Gerüchte, dass eine neue Mobilmachung unmittelbar bevorstehen könnte. Die russischen Streitkräfte haben ihre Luftangriffe zuletzt deutlich intensiviert. Bei einem Angriff mit ballistischen Raketen auf Kiew gab es nach Auskunft des Bürgermeisters Vitali Klitschko Verletzte und erheblichen Sachschaden. Auch aus vielen anderen Landesteilen wurden Attacken aus der Luft gemeldet. (mit dpa) 

 
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