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Istanbul, Damaskus
In Syrien flammen Proteste gegen Präsident Assad auf
Nach mehr als zehn Jahren Krieg in Syrien ist die Situation in dem geschundenen Land katastrophal. In ihrer Verzweiflung gehen die Menschen auf die Straße.
Opferfest Eid al-Adha in Syrien.jpeg       -  Der syrische Präsident Baschar al-Assad demonstriert bei öffentlichen Auftritten Normalität, wie hier beim Besuch einer Moschee. Doch auf Straßen regt sich Widerstand.
Foto: Homam Najy Alhayek, Sana, dpa | Der syrische Präsident Baschar al-Assad demonstriert bei öffentlichen Auftritten Normalität, wie hier beim Besuch einer Moschee. Doch auf Straßen regt sich Widerstand.
Thomas Seibert
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:43 Uhr

Auf den Straßen Syriens erschallt wieder der Ruf "Weg mit dem Regime": Tausende Menschen demonstrieren seit Tagen gegen schlechte Lebensbedingungen, steigende Preise und die Regierung von Präsident Baschar al-Assad. Die Sicherheitskräfte lassen die Demonstranten bisher gewähren. 

Die Proteste brachen in den Provinzen Sweida und Daraa im Süden Syriens aus; in der Hauptstadt Damaskus wurde ein Beamter festgenommen, der Assad auf Facebook kritisiert hatte. In Sweida, wo viele Drusen leben, errichteten Demonstranten Straßenbarrikaden und schweißten die Tür am Eingang zum Gebäude der regierenden Baath-Partei zu. Proteste gab es auch in der Hafenstadt Latakia, in der viele Mitglieder der religiösen Gruppe der Alawiten leben, zu der auch Präsident Assad gehört. In Daraa trugen Demonstranten Schilder mit der Aufschrift "Nehmt euren Präsidenten und haut ab", wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. 

In Daraa nahmen im Frühjahr 2011 die Proteste gegen Assad ihren Anfang

Daraa hat den Beinamen "Wiege der Revolution", weil dort im März 2011 die ersten Proteste gegen Assad stattfanden, die zum Bürgerkrieg führten. Seitdem sind mehr als 200.000 Menschen bei Gefechten ums Leben gekommen; sechs Millionen Syrer flohen vor der Gewalt ins Ausland, fast sieben Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen im eigenen Land. Heute leben neun von zehn Syrern in Armut. Die Wirtschaft liegt am Boden, die Inflation schießt nach oben; das syrische Pfund verlor zuletzt innerhalb eines Monats fast 50 Prozent seines Wertes. 

Assad macht die westlichen Sanktionen gegen sein Regime für die Krise verantwortlich. Seine Regierung verdoppelte vor zwei Wochen die Beamtengehälter und den Sold für die Soldaten, um der Unzufriedenheit in der Bevölkerung entgegenzuwirken. Zudem senkte die Regierung die staatlichen Subventionen auf Benzin, was den Sprit verteuerte. 

Nach zwölf Jahren Krieg kontrolliert Assad, der sich auf die Minderheit der Alawiten in dem mehrheitlich sunnitischen Land stützt, rund zwei Drittel des Landes. Er hat angekündigt, die Rebellenprovinz Idlib im Nordwesten Syriens und die Gebiete östlich des Euphrat, in denen die USA und die verbündete Kurdenmiliz YPG das Sagen haben, zurückzuerobern. Doch seine Armee ist zu schwach; zudem hat Assads Partner Russland seit Beginn des Ukraine-Krieges einen Teil seiner Soldaten aus Syrien abgezogen. 

Einige arabische Staaten hatten zuletzt ihre Beziehungen mit Syrien normalisiert. Sie wollen Assad mit der Annäherung unter anderem dazu bringen, Drogenexporte aus Syrien zu stoppen. Internationale Ermittler werfen dem syrischen Präsidenten vor, das Aufputschmittel Captagon tonnenweise herstellen und in Nachbarländer exportieren zu lassen, um sein Regime zu finanzieren. 

Für Assad gehe es ums Überleben, doch "der Erhalt des Status quo bringt der Bevölkerung nichts", sagt Osman Bahadir Dincer von der Bonner Denkfabrik Bicc. Assads Politik bedeute für die Syrer im Gegenteil eine "Institutionalisierung der Frustration", sagte Dincer unserem Korrespondenten. Deshalb seien Protestdemonstrationen unvermeidlich. Noch versuche das Regime, die Unruhen ohne Gewalt unter Kontrolle zu bekommen. Sollte die sunnitische Bevölkerungsmehrheit aufbegehren, könne das für Assad aber zu einem Problem werden. 

Das syrische Regime unterdrückt Widerstand mit Mord und Folter

Assads Regime unterdrückt Widerstand mit Mord und Folter und hat bereits mehrmals Proteste gegen schlechte Lebensbedingungen niedergeschlagen. Dennoch meldete sich jetzt eine neue Protestbewegung zu Wort, die nach eigenen Angaben ein Netz von Unterstützern in allen Landesteilen aufgebaut und laut Medienberichten viele alawitische Anhänger hat. Die "Bewegung des 10. August" strebe Assads Sturz mit friedlichen Mitteln an, teilte die Anfang August gegründete Gruppe auf Facebook mit. Mitglieder der Organisation rufen auf Handzetteln, die sie in syrischen Städten verteilen, zu Reformen auf. Die Gruppe fordert Assads Regierung zur Freilassung aller politischen Gefangenen, Lohnerhöhungen und neuen Subventionen auf Brot und Treibstoff auf. 

Für Assad wäre die "Bewegung des 10. August" gefährlich, wenn sie den Unmut in alawitischen Gebieten Syriens für die Regimegegner nutzen kann. Bewohner der Alawiten-Stadt Latakia protestierten in jüngster Zeit in sozialen Medien gegen steigende Preise und Korruption. Seit der vorigen Woche haben die Behörden laut Medienberichten rund 20 Menschen in Latakia festnehmen lassen. 

Israel greift erneut den Flughafen in Aleppo an

Auch von außen steigt der Druck. Israel hat nach syrischen Angaben in der Nacht auf Montag erneut den Flughafen in Aleppo angegriffen. Der Betrieb sei vorübergehend eingestellt worden, teilte die syrische Generalbehörde für Zivilluftfahrt mit.

 
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