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Gütersloh
Bertelsmann-Studie: Autokratien weltweit auf dem Vormarsch
Eine Analyse zeigt, dass die Demokratie in vielen Staaten unter Druck geraten oder gar gescheitert ist. Allerdings gibt es auch positive Entwicklungen, wie die Beispiele Brasilien oder Polen zeigen.
Studie sieht Demokratie auf dem Rückzug.jpeg       -  Demokratie unter Druck. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt, dass immer mehr Entwicklungs- und Schwellenländer autoritär regiert werden.
Foto: Federico Gambarini, dpa | Demokratie unter Druck. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung belegt, dass immer mehr Entwicklungs- und Schwellenländer autoritär regiert werden.
Simon Kaminski
 |  aktualisiert: 24.03.2024 02:43 Uhr

Was haben die Türkei, Algerien, Tunesien, Nigeria oder El Salvador gemeinsam? Alle diese Staaten haben sich seit 2022 laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung weg von einer Demokratie hin zu einer Autokratie entwickelt – dies weist der „Transformationsindex“ der Bertelsmann-Stiftung aus, der in diesem Jahr zum zehnten Mal seit 2004 erscheint.

Die Studie über die politische Ausrichtung von Entwicklungs- und Schwellenländern, aber auch von früheren Staaten des Ostblocks sowie rasant aufstrebenden Industrienationen wie Südkorea zeichnet ein düsteres Bild: Unter den 137 untersuchten Staaten listen die Analysten nur noch 63 Demokratien auf, die 74 Autokratien gegenüberstehen. „Zu keinem Zeitpunkt wurden in den vergangenen 20 Jahren so wenige Staaten demokratisch regiert wie heute“, lautet das Fazit der Studie.

Demokratische Errungenschaften werden vielfach aufgegeben

Besorgniserregend ist, dass sich dieser Trend zuletzt in mehrere Kategorien beschleunigt hat, die ein pluralistisches Gesellschaftssystem ausmachen. Beispiel Wahlen: Im Vergleich zu 2022 haben sich in 25 Ländern die Möglichkeiten der Wähler, ihre Stimme frei und ohne Druck abzugeben, verschlechtert. Die Freiheit der Medien wurde in 39 Staaten eingeschränkt, die Versammlungsfreiheit in 32 Staaten beschnitten. Parallel zu dieser Entwicklung kommen die Autorinnen und Autoren der Analyse zu dem Ergebnis, dass in 83 von 137 Staaten die ökonomische Ungleichheit, gepaart mit einer verfehlten Wirtschaftspolitik, zu einer wachsenden sozialen Ausgrenzung geführt hat. 

Die Studie unterscheidet Grad und Ausformung diktatorischer Tendenzen. Gleich 49 Staaten erhalten das Etikett „Hardliner-Autokratien“. Darunter – wenig überraschend – China, Afghanistan, der Sudan, der Iran und natürlich Russland. Staaten, in denen die Repression allgegenwärtig ist und Kritiker des jeweiligen Regimes Gefahr laufen, ihre Freiheit oder gar ihr Leben zu verlieren. 

Einschränkung der Pressefreiheit, Behinderung der Arbeit von Regierungskritikern

Gleichzeitig zeigt die Untersuchung, dass die Demokratie in weiteren Ländern immer stärker unter Druck gerät. Zu beobachten sind Einschränkungen der Pressefreiheit, der Unabhängigkeit der Justiz oder eine Behinderung der Arbeit von regierungskritischen Organisationen. Defizite, die dazu führen, dass beispielsweise Ungarn, Serbien, Indien oder Südafrika in der Studie als „defekte“ oder „sehr defekte“ Demokratien klassifiziert werden.

Auch in Deutschland finden im politischen Diskurs der letzten Jahre demokratieskeptische Stimmen verstärkt Gehör, die bezweifeln, dass die pluralistische Staatsform in der Lage ist, die Probleme der Zukunft zu meistern. Die mühselige und zeitraubende Suche nach Kompromissen und der Widerstand von Interessengruppen gegen politische Entscheidungen wirkten genauso lähmend wie der Druck, Wahlen zu gewinnen – so heißt es. Die Ergebnisse der Analyse der Bertelsmann-Stiftung legen allerdings das genaue Gegenteil nahe: Danach rangieren unter den Staaten in der Kategorie „effizientes Regieren“ 45 Staaten ganz am Ende der Skala, die für eine desaströse Wirtschaftslage und eine wuchernde Korruption berüchtigt sind – darunter Venezuela, Kambodscha oder Simbabwe.

Gute Politik als beste Antwort

Immerhin gibt es auch positive Beispiele, wie Brasilien und Polen. Zwei Staaten, in denen es gelungen ist, den Weg in eine Autokratie zu stoppen. In beiden Ländern erwies sich letztlich der Anteil der Zivilgesellschaft, der nicht bereit war, die Demokratie kampflos preiszugeben, als stärker. Sabine Donner, Mitautorin der Studie „Transformationsindex“, sieht denn auch das Bemühen um gesellschaftlichen Konsens und die besten Lösungen unter Einbeziehung möglichst vieler Gruppen nicht als Schwäche, sondern als große Stärke demokratischen Regierens: „Gute Politik ist noch immer eine der besten Antworten auf autoritäre Herausforderungen“, sagt die Wissenschaftlerin.

 
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