Die Reaktionen aus Russland zum Putsch in Niger kamen schnell. Der ehemalige Kreml-Berater Sergei Markov bezeichnete ihn auf Telegram als „pro-russisch“, schließlich sei der entmachtete Präsident Mohamed Bazoum„pro-französisch“ gewesen. Er gehe davon aus, dass nun die Wagner-Gruppe in das Land kommen werde. Das ist Propaganda. Der Kreml-Einfluss im Niger ist gering, Russland hat dort nicht einmal eine Botschaft.
Zudem sind die ersten 48 Stunden nach einem Putsch fluide, erfahrungsgemäß schwinden danach die Chancen auf ein Einlenken der Generäle. Sie waren allerdings bereits am Donnerstagmittag äußerst gering. Da schloss sich die Armeeführung der Präsidentengarde an, die den Putsch angeführt hatte – „um eine tödliche Konfrontation zu vermeiden“, wie es in einer Erklärung hieß. Es wird gemunkelt, dass der Sohn des ehemaligen Präsidenten Mahamadou Issoufou Machtambitionen haben könnte – er führte zuletzt bereits das einflussreiche Bergbauministerium.
Der Westen hat in den Niger viel investiert
Für den Westen steht viel auf dem Spiel – er hat alle Karten auf das Land gesetzt, und dabei dessen Demokratiestabilität überschätzt. Niger kooperierte ab 2016 bei der Eindämmung illegaler Migration in Richtung des nördlichen Nachbarstaats Libyen. Schnell stieg die Nation, gemessen an den Pro-Kopf-Leistungen, zum größten Empfänger von EU-Entwicklungshilfe auf. Die USA haben rund 1100 Soldaten im Land. Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich verlegte viele Truppen nach Niger, als diese nicht mehr in Mali und Burkina Faso erwünscht waren.
Auch die Bundeswehr hat rund 100 Soldaten in Niger stationiert. „Alle Angehörigen des deutschen Einsatzkontingents Minusma und EUMPM mit Standort Niamey befinden sich in Sicherheit“, teilte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr mit. Die Vorgänge stellen Deutschland auch mit Bezug auf den angelaufenen Abzug des Einsatzes in Mali vor Probleme. Erhebliche Teile der abgebauten Infrastruktur sollten über den Landweg zunächst in den Niger gebracht werden.
Dazu trägt wohl auch die ohnehin angespannte Sicherheitslage im Niger bei. Sie hat sich nicht so rasch verschlimmert wie in Mali und Burkina Faso, was man durchaus als Leistung erachten kann. Aber die Bedrohung gefährdete das Land zunehmend. Im Südwesten wird ein dschihadistischer Aufstand bekämpft, der aus Mali herüberschwappte. Und im Südosten terrorisieren aus Nigeria stammende Islamisten ganze Landstriche.
„Unter den Putschisten befindet sich offenbar auch Brigadegeneral Barmou Batoure, der Chef der lokalen Spezialkräfte. Diese wurden über Jahre von Kampfschwimmern der Bundeswehr ausgebildet“, schrieb Spiegel-Autor Matthias Gebauer auf Twitter. Ein aus Mali vertrautes Szenario. Der dortige Chef der Militärjunta, Assimi Goita, nahm in den Jahren 2008 und 2016 gleich zweimal an militärischer Ausbildung in Deutschland teil, einmal für einen dreimonatigen Deutschkurs, dann für einen fünfwöchigen Lehrgang einer Logistikschule der Bundeswehr.
In diesen Tagen ist Goita einer von nur 17 afrikanischen Staatschefs beim Russland/Afrika-Gipfel in St. Petersburg. Damit ist nicht einmal jeder dritte afrikanische Präsident erschienen – ein für den Kreml blamables Ergebnis. Entsprechend dürfte Despot Wladimir Putin angesichts des Schadens für den Westen durchaus mit Wohlwollen auf die Entwicklung in Niger blicken.
Experte Ulf Laessing glaubt nicht an eine Verwicklung Moskaus in den Putsch in Niger
Doch Ulf Laessing, Leiter des Regionalprogrammes Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung, geht „eher nicht“ von einem direkten Zusammenhang zwischen Russland und dem Putsch aus: „Entsprechende Desinformationskampagnen laufen jetzt auf Hochtouren, aber das ist kein typischer Klientelstaat für Russland. Es gab in Niger eine große Nähe zu Frankreich, das wäre ein enormer Kulturwechsel.“
Allerdings hoffen die aufständischen Generäle womöglich auf die Unterstützung der lokalen Bevölkerung. „Die Straße war auch in Niger zunehmend gegen Frankreich“, sagt Laessing. Die Bevölkerung habe sich von den zahlreichen Militärkooperationen schnellere Erfolge gegen die Islamisten erwartet, was auch zu Kritik an Bazoum geführt habe. Und die Entwicklungsprojekte hätten noch nicht ausreichend Wirkung gezeigt. Stattdessen hätten die steigenden Lebensmittelpreise, höhere Mieten und Inflation das Leben eher schwieriger gemacht. „Die Leute haben immer gehört, dass Niger ein Stabilitätsanker ist“, sagt Laessing, „aber sie selbst haben keine positiven Auswirkungen davon gespürt.“