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München
Wie weit darf der Protest an Hochschulen gehen?
Protestcamps wie in den USA finden sich nun auch an deutschen Hochschulen. Für die Universitäten ist der Umgang damit schwierig. In Berlin eskaliert der Protest.
Pro-Palästina-Protestcamp - München.jpeg       -  Palästinensische Flaggen stehen an einem Protestcamp vor der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU).
Foto: Sven Hoppe, dpa | Palästinensische Flaggen stehen an einem Protestcamp vor der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU).
Nicolas Friese
 |  aktualisiert: 29.05.2024 03:07 Uhr

Geografisch trennen sie nur etwa 100 Meter, ideologisch liegen Welten zwischen ihnen. Vor dem Hauptgebäude der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München haben zwei Lager ihre Zelte aufgeschlagen, die unterschiedlicherer Meinung kaum sein könnten. Auf der einen Seite, auf dem Professor-Huber-Platz, das Pro-Palästina-Camp. Auf der anderen Seite, neben dem Brunnen des Geschwister-Scholl-Platzes, ein Stand, der sich klar pro Israel positioniert. Hier zeigt ein Video Szenen der Gewaltverbrechen der Hamas, verübt am 7. Oktober in einem beispiellosen Attentat der Islamisten an der israelischen Bevölkerung. Die Stühle vor der Leinwand sind frei. "Bislang hat sich dort noch niemand hingesetzt", sagt eine 65-Jährige, die den Stand betreut und ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.

Der Krieg im Gazastreifen wirft seine Schatten bis nach Deutschland. Vor allem die Universitäten und ihr Umfeld sind zum Schauplatz eines gesellschaftlichen Konflikts geworden. Da ist die Solidarität mit der bis heute traumatisierten israelischen Gesellschaft und deren Bangen um die mehr als 100 Geiseln. Da sind aber auch die mehr als 30.000 Toten auf palästinensischer Seite. Es begann vor Wochen in den USA. An mehr als 100 amerikanischen Universitäten haben propalästinensische Gruppen Protestcamps gegen das israelische Vorgehen im Gazastreifen errichtet. Seither scheint eine Welle um die Welt zu gehen. Zeltstädte und aufgebrachte Demonstranten an Hochschulen in Bangladesch und Australien, in Spanien und Großbritannien, in Frankreich und Finnland, in den Niederlanden und Dänemark. Und seit einiger Zeit auch in Deutschland. 

Existenzrecht Israels darf nicht geleugnet werden

In München ist die Stimmung vergleichsweise ruhig. Dass rund um den Geschwister-Scholl-Platz Streifen der Münchner Polizei patrouillieren, gibt der Frau am Israel-Stand trotzdem ein Stück weit Sicherheit: "Ich bin froh, dass mich der Staat im Notfall beschützen würde." Zwei Streifenwagen fahren auf der anderen Seite der Ludwigstraße und parken dort auf dem Gehweg. Die Beamten blicken aus dem Fahrzeug auf eine Wiese, auf der etwa 15 Zelte aufgestellt wurden. Ein paar Meter weiter bauen junge Menschen einen Stand auf und dekorieren ihn mit Bannern, auf denen propalästinensische Parolen stehen. Zu den Auflagen gehört: "Das Existenzrecht Israels darf nicht geleugnet werden." 

Eine Gruppe junger Frauen sitzt um einen Tisch und diskutiert hitzig. Manche von ihnen tragen ein Kopftuch, alle tragen eine Kufiya, besser bekannt als Palästinensertuch. "University for Palestine" heißt die Organisation, die den Protest organisiert hat. In der jüngsten Vergangenheit standen die Organisatoren unter anderem für ihre Nähe zur vom bayerischen Verfassungsschutz als linksextrem und israelfeindlich eingestuften Gruppe "Waffen der Kritik / Klasse gegen Klasse" in der Kritik.

Für die Universitäten selbst ist die Situation ein Dilemma: Geht es hier um legitime Meinungsäußerungen oder antisemitische Propaganda? Um Mitgefühl mit den Menschen in Gaza oder puren Hass auf Israel? Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) jedenfalls warnt. "Die Besetzung von Universitätsgebäuden durch propalästinensische Aktivisten ist ein absolutes Unding. Ich bin mir mit Wissenschaftsminister Blume einig, dass wir solche Aktionen und insbesondere Störungen im Uni-Betrieb in Bayern auf keinen Fall akzeptieren werden", sagt er. Die Polizei werde Besetzungen konsequent beenden. "Das schließt die Verfolgung von Straftaten wie Hausfriedensbruch mit ein", stellt der Innenminister klar. 

Bayerns Innenminister warnt vor Besetzung von Universitäten

Hermanns größte Sorge dürfte sein, dass es auch in Bayern zu Zuständen kommt wie aktuell in Berlin. An der Humboldt-Universität war der Protest eskaliert. Radikale propalästinensische Aktivisten hatten seit Mittwoch Räume besetzt, Transparente mit Parolen aufgehängt und angekündigt, so lange zu bleiben, bis ihre Forderungen erfüllt seien. Die Universitätsleitung duldete das zunächst und setzte auf einen Dialog mit Besetzern und Wissenschaftlern. Am Donnerstagabend räumte die Polizei das besetzte Gebäude. 

Nach ersten Angaben leitete die Polizei 25 Strafermittlungsverfahren ein. 169 Menschen seien kurzzeitig festgenommen worden, um deren Identität festzustellen, sagte eine Polizeisprecherin am Freitag. Sechs weitere sogenannte freiheitsbeschränkende Maßnahmen habe es bei einer anschließenden Kundgebung gegeben sowie sechs weitere Anzeigen. 

Abbruch des Dialogversuchs - die Räumung begann zu früh

Julia von Blumenthal, die Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität, erklärte, die Anweisung zur Räumung sei "von ganz oben" gekommen. Die Räumung begann aus ihrer Sicht zu früh. "Wir waren (...) in der Situation dort in einem Dialog, und aus unserer Sicht hätten wir noch etwas Zeit gebraucht, um zu sehen, ob wir selbst diesen Dialog zu einem Ergebnis führen können oder nicht", sagte sie. "Wir wollten eben diesen Versuch selbst an ein Ende führen. Und so mussten wir den Dialogversuch abbrechen."

Es war nicht das erste Mal, dass die Polizei an einer Berliner Universität eingriff. Vor ein paar Wochen, am 7. Mai, wurde ein propalästinensisches Protestcamp bereits nach wenigen Stunden geräumt. (mit dpa)

 
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