Die katholische Kirche beherrscht wie keine andere Institution die Kunst der Inszenierung. Ein Papst im Rollstuhl ist da eine beträchtliche Herausforderung. Im Anblick der Gebrechlichkeit ist nicht viel zu beschönigen, man kann die sichtbare Endlichkeit allerdings mit Eleganz und Würde begleiten. Seit eineinhalb Jahren kommt diese Aufgabe Sandro Mariotti zu, dem Kammerdiener von Papst Franziskus. Er ist Schatten, engster Begleiter, Gehilfe und manche sagen auch Schutzengel des 87 Jahre alten Papstes.
Seit Mai 2022 ist Franziskus wegen Schmerzen im rechten Knie auf den Rollstuhl angewiesen. Seither ist auch Mariotti in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, weil er derjenige ist, der den gebrechlichen Papst schiebt und auf Schritt und Tritt begleitet. Bei der Generalaudienz am vergangenen Mittwoch war das erst wieder zu sehen. Der 1,90 Meter große Mariotti, wie immer im feinen dunklen Anzug mit Krawatte, schloss die Tür hinter ihm und trug die schwarze Aktentasche mit dem Redemanuskript.
Mariotti wird für seine Verlässlichkeit geschätzt
Im Vatikan wird Mariotti „Sandrone“ genannt, das bedeutet so viel wie großer Sandro, ist aber auch als Reminiszenz an seine Liebenswürdigkeit und Verlässlichkeit gemeint. Mariotti wird gemocht im Vatikan und im Gästehaus Santa Marta, wo Franziskus wohnt. Jeden Tag pendelt der verheiratete Familienvater in seinen Wohnort Castelgandolfo bei Rom.
Verlässlichkeit ist Mariottis wichtigste Eigenschaft. Sein Vorgänger war Paolo Gabriele, der geheime Dokumente an die Presse weitergab, damit den „Vatileaks“-Skandal auslöste und wohl auch den Rücktritt Benedikt XVI. beschleunigte. Mariotti war damals bereits Teil der sogenannten päpstlichen Familie, einer der Stellvertreter Gabrieles und übernahm den Posten. Dass auch Franziskus den treuen Kammerdiener weiterbeschäftigt, spricht für ihn. Jorge Bergoglio beschäftigt im elften Amtsjahr bereits den dritten Privatsekretär, aber immer noch denselben Majordomus.
Mariotti kümmert sich nicht nur um die schwarze Aktentasche des Papstes. Er wacht über dessen Garderobe und packt die Koffer für die nun wegen der angeschlagenen Gesundheit Bergoglios immer weniger werdenden Reisen. Bei offiziellen Terminen steht der Römer immer in nächster Nähe, um Geschenke für den Papst entgegenzunehmen. Seine Devise dabei lautet: Ein Papst muss immer freie Hände haben.