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Porträt
Die neue Chefin der türkischen Zentralbank ist eine Seiteneinsteigerin
Hafize Gaye Erkan ist die erste Frau an der Spitze der türkischen Zentralbank. Kann die Bankerin aus den USA unabhängig von Präsident Erdogan agieren?
Susanne Güsten
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:37 Uhr

Die meisten Türken haben noch nie von Hafize Gaye Erkan gehört. Die 43-jährige Finanzexpertin war kurz nach ihrem Studium in Istanbul in die USA gegangen und hatte nach ihrer Promotion an der Eliteuniversität Princeton in der Rekordzeit von nur einem Jahr eine erfolgreiche Karriere bei amerikanischen Banken begonnen. Nun wurde sie von Präsident Recep Tayyip Erdogan zur Chefin der türkischen Zentralbank ernannt. Sie ist die erste Frau auf diesem Posten und soll zusammen mit Finanzminister Mehmet Simsek die türkische Wirtschaft aus der Krise holen. Eines ihrer größten Probleme dabei ist Erdogan selbst mit seinen eigenwilligen finanzpolitischen Vorstellungen, genannt "Erdonomics".

Hafize Gaye Erkan besitzt neben dem türkischen auch den amerikanischen Pass und hat in den USA lange bei der Investmentbank Goldman Sachs gearbeitet, bevor die Tochter eines Ingenieurs und einer Lehrerin vor zwei Jahren für einige Monate zur First Republic Bank wechselte – das Geldhaus ging in diesem Frühjahr pleite und wurde von JP Morgan aufgekauft. Es gibt keine Hinweise, dass Erkan als Expertin für Risiko-Vorsorge etwas mit den Problemen bei First Republic zu tun hatte, aber ihre Verbindung zu der Problem-Bank belastet ihren Ruf. Nach ihrer Zeit bei der Bank arbeitete sie bis Ende vergangenen Jahres als Chefin des US-Immobilienunternehmens Greystone.

Hohe Inflation und niedrige Zinsen – das passt nicht zusammen

Ihre Erfahrung mit Risiken wird Erkan in ihrem neuen Job gut gebrauchen können. Das Magazin "Fortune" nannte ihre Aufgabe bei der türkischen Zentralbank "eine der härtesten Herausforderungen in der internationalen Finanzwirtschaft". Erdogan besteht auf niedrigen Zinsen, mit denen er die Konjunktur selbst in Zeiten hoher Inflation ankurbeln will. Drei Zentralbankchefs, die dabei nicht mitmachen wollten, wurden vom Präsidenten schon entlassen. Erkan folgt nun auf den Erdogan-Anhänger Sahan Kavcioglu, der die Zinsen seit 2021 immer weiter gesenkt hatte, obwohl die Inflation auf über 80 Prozent stieg.

Nun signalisiert Erdogan eine Rückkehr zu einer berechenbareren Finanzpolitik, um aus der Krise herauszukommen. Die Entlassung von Kavcioglu und die Ernennung von Erkan sollen türkischen und ausländischen Anlegern die Botschaft schicken, dass ab sofort Profis mit internationaler Erfahrung das Sagen in der türkischen Finanzpolitik haben werden. Viele Erdogan-Kritiker aber bezweifeln, dass der Präsident die Neue machen lässt, was sie für richtig hält. Ihr Erfolg an der Spitze der Zentralbank wird entscheidend davon abhängen, wie weit sie sich gegen Erdogan durchsetzen kann.

 
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