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Porträt
Anselm Kiefer ist kein Mensch von Kleinmut – nun bekommt er den Nationalpreis
Anstatt die Spitze des Vatikans zu übernehmen, wurde Anselm Kiefer Künstler. Nun erhält er den Deutschen Nationalpreis.
Künstler Anselm Kiefer.jpeg       -  Der Künstler Anselm Kiefer wird mit dem Deutschen Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung ausgezeichnet.
Foto: Marijan Murat, dpa | Der Künstler Anselm Kiefer wird mit dem Deutschen Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung ausgezeichnet.
Rüdiger Heinze
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:17 Uhr

Nur einem glücklichen Umstand war es zu verdanken, Zeuge werden zu können, als 2019 der international hochgeachtete deutsche Künstler Anselm Kiefer in der Staatsgalerie Stuttgart dem Präsidenten-Ehepaar Steinmeier in engstem Kreis gestand: "Als Kind wollte ich immer Papst werden!" Das haute zwar, wie man weiß, trotz erzkatholischer Erziehung und Ministrantendienst nicht hin. Aber anderweitig hat es der heute 78-jährige Kiefer nach oben geschafft: Er ist in die erste Führungsriege zeitgenössischer Künstlerschaft aufgestiegen – mit zwei Landsleuten übrigens, die einst nicht Papst werden wollten. Heute nun wird – nach vielen anderen Ehrungen – der Wahl-Pariser mit dem Deutschen Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung in Berlin ausgezeichnet. 

Dass es zu solcher Würdigung nicht kommen würde, dafür wäre mancher Kunstbeobachter vor gut 50 Jahren jede Wette eingegangen. Denn in den späten 1960er Jahren tourte Kiefer durch Europa und brachte eine Fotoserie als Abschlussarbeit seines Karlsruher Studiums mit, die ihn in der Wehrmachtsuniform seines Vaters mehrfach mit Hitlergruß zeigt. Das empörte in der Fachwelt, wo der Schoß, aus dem der Nationalsozialismus kroch, nicht grundlos als weiterhin fruchtbar betrachtet wurde. Dagegen wollte Kiefer– wie in Teilen Gerhard Richter und Georg Baselitz auch – auf die bundesrepublikanische Geschichtsverdrängung hinweisen. 

Gigantomanie wurde Anselm Kiefer vorgeworfen - sein Durchbruch gelang im Ausland

Es blieb nicht einzige Kritik am Propheten im eigenen Land. Monumentalität wurde Kiefer aufgrund seiner bildnerisch-skulpturalen Werke immer wieder vorgeworfen, ja Gigantomanie. Kleinmütig freilich war er gewiss nicht. Seine riesigen Atelier-Areale, erst im Odenwald, dann in Barjac bei Avignon, derzeit am Rand von Paris, versammel(te)n haus- bis hochhaushohe Werke. 2011 wollte Kiefer gar das ausrangierte Atomkraftkraftwerk Mülheim-Kärlich erwerben, um es für Kunstzwecke zu nutzen. Es blieb ihm versagt.

Letztlich hatte Kiefer seinen Durchbruch dem Ausland zu verdanken; Israel und die USA mit ihren Museen und Sammlern setzten sich für den in Donaueschingen Geborenen und seine Kunst ein, die mit Blei, Erde, Asche, Haar, Stoff, Gestrüpp, grauer und brauner Farbe nicht nur die unheilvolle deutsche und deutsch-jüdische Geschichte mit Trauer künstlerisch aufarbeitet, sondern auch die Mythen des Vorderen Orients. 

 
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