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Passau
Kein Prosit der Gemütlichkeit: Wagenknecht wettert gegen "Kriegstreiberei"
Beim Politischen Aschermittwoch in Passau liefert BSW-Chefin Sahra Wagenknecht eine recht humorlose Abrechnung mit der Bundesregierung und wundert sich über die deutsche Angst vor Wladimir Putin.
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Foto: Lukas Barth, dpa | Sahra Wagenknecht trat in einem Gasthaus in Passau erstmals für ihre neu gegründete eigene Partei BSW beim Politischen Aschermittwoch auf.
Michael Stifter
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:09 Uhr

Sahra Wagenknecht in einem niederbayerischen Wirtshaus: Passt diese Frau mit der Attitüde einer strengen Altgriechisch-Lehrerin, die am letzten Schultag vor den Ferien die ganze Klasse nachsitzen lässt, in den Bierdunst des Politischen Aschermittwochs? Die Geschichte eines recht humorlosen Vormittags samt Defiliermarsch und Szenenapplaus. 

Wer geglaubt hatte, hier in Niederbayern, wo Wagenknechts frühere Partei Die Linke nie einen Blumentopf gewonnen hat, werde man jeden einzelnen Gast in Ermangelung an Masse persönlich per Handschlag begrüßen können, sollte sich täuschen. Mehr als eineinhalb Stunden vor Beginn, als die Blaskapelle noch ihre Instrumente stimmt, zieht sich eine lange Warteschlange durch den Passauer Ortsteil Schalding links der Donau. Die 182 Sitzplätze in der Gaststube werden nicht reichen, die Veranstaltung wird auch nach draußen übertragen.

Früherer Linken-Chef Klaus Ernst ist bierzelttauglich

„Jetzt schauen wir mal, ob die Leute eher zur Bier- oder zur Limo-Fraktion gehören“, sagt der Mann hinter dem Tresen. Eine Frau bestellt Kamillentee. Immerhin der frühere Linken-Chef Klaus Ernst, der zusammen mit Wagenknecht das Lager gewechselt hat, lässt keinen Zweifel an seiner Bierzelttauglichkeit aufkommen. Ernst ist gebürtiger Münchner und weiß, wie das geht mit dem Politischen Aschermittwoch.

Er gibt für seine Chefin den Anheizer, den sie gar nicht braucht, erzielt aber an den Wirtshaustischen Achtungserfolge mit den üblichen Watschn gegen die „dümmste Regierung Europas“, mit dem Vorwurf der „Kriegstreiberei“ oder der Forderung, endlich wieder russisches Gas zu importieren. Leise Kritik an Wladimir Putin kommt nicht vor, dafür laute an den Amerikanern, die angeblich als einzige vom Krieg in der Ukraine profitieren. Kein Prosit der Gemütlichkeit!

Sahra Wagenknecht hält die Bundesregierung für Kriegstreiber

Wahr ist immerhin, dass die Leute nicht wegen Klaus Ernst nach Passau gekommen sind. Sie alle wollen jene Frau sehen, hören und feiern, die dem Bündnis Sahra Wagenknecht ihren Namen gegeben hat. Und sie liefert. Lästert erst einmal über Gendersternchen, „Lebensabschnittsgeschlechter“ und darüber, dass der Weihnachtsmann angeblich nicht mehr so heißen darf. „Ich frage mich, was manche Leute in unserem Land für Probleme haben“, sagt sie und man fragt sich wiederum, warum sie denn dann so viel ihrer Redezeit für selbige Probleme verwendet. Aber schließlich biegt Wagenknecht doch ab zu ihrem eigentlichen Thema: Krieg und Frieden.

Sie wundert sich über die seltsame deutsche Angst davor, dass "der Russe vor der Tür" stehe, wenn Putin doch nicht mal Kiew einnehmen konnte. Dass diese Angst womöglich etwas damit zu tun haben könnte, dass Putin das überhaupt versucht hat, sagt sie nicht. Auch nicht, dass sie selbst wenige Tage vor dem russischen Überfall Sorgen vor einem Krieg in gleicher Weise abgetan hatte, in der sie heute argumentiert, Moskau habe keinerlei Interesse an einer Eskalation. Aber in ihrem Publikum an diesem Tag würde das ohnehin niemand hören wollen. 

Wagenknecht behauptet, der Ukraine-Krieg könnte längst zu Ende sein, wenn Wolodymyr Selenskyj nur diesen einen russischen Wunsch erfüllt hätte, nicht der Nato beizutreten. Sie unterstellt Politikerinnen und Politikern wie „Marie-Agnes Strack-Rheinmetall“, die sich für Waffenlieferungen starkmachen, persönliche Interessen, weil sie Rüstungskonzernen in ihren Wahlkreisen helfen wollten oder selbst Posten in Lobbyorganisationen hätten. Sie fordert ein „Ehrenbataillon“ aus deutschen Politikern, „die unbedingt Krieg machen wollen“ und wettert gegen diese „verdammte militärische Hochrüstung“.

Sahra Wagenknecht macht sich über Joe Biden lustig

Weil eine Prise Anti-Amerikanismus bei ihren Leuten bewährt funktioniert, macht sich die BSW-Chefin noch über US-Präsident Joe Biden lustig, der öfter mal Namen vertauscht, aber Olaf Scholz immer noch nicht seine Hoffnung erfüllt habe, ihn wenigstens einmal mit Willy Brandt oder Helmut Schmidt zu verwechseln. Wagenknecht lobt Österreich, das im vergangenen Jahr 98 Prozent seines Gases aus Russland bezogen habe und immer wieder fordert sie Verhandlungen mit dem Kreml und Kompromisse. „Wer den Krieg nach Russland tragen will mit deutschen Waffen, der trägt den Krieg nach Deutschland“, warnt sie unter tosendem Applaus.

In der Rede findet sich eine auffallend hohe Dichte der Begriffe Irrsinn, Wahnsinn und Schwachsinn. Der Unterhaltungswert, der den Politischen Aschermittwoch ja auch ausmacht, bleibt hingegen überschaubar. Es ist eine recht humorlose Abrechnung mit der Ampel, die nicht nur die dümmste, sondern auch die gefährlichste Regierung in Europa sei.

Weil wir uns ja schließlich in Bayern befinden, gibt es auch noch eine kurze Solidaritätsadresse an wütende Landwirte. Und zum Abschluss noch mal ein bisschen Häme gegen Regierungspolitiker, die auf Demonstrationen gegen Rechtsextremismus angeblich gegen sich selbst protestieren. Das Publikum erhebt sich von den Sitzen. Die Frau mit dem Kamillentee trinkt jetzt Bier.

 
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