zurück
Berlin
Finanzministerium sperrt weite Teile des Bundeshaushalts
Der Regierung fehlen Dutzende Milliarden Euro, nachdem das Verfassungsgericht den Klimafonds für nichtig erklärt hat. Nun drängt die Frage, wie er weitergeht.
Kay Nietfeld, dpa, Lindner.jpg       -  Christian Lindner und sein Finanzministerium haben diverse Posten im Bundeshaushalt gedreht.
Foto: Kay Nietfeld, dpa | Christian Lindner und sein Finanzministerium haben diverse Posten im Bundeshaushalt gedreht.
Redaktion
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:54 Uhr

Nach dem Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgericht sperrt das Finanzministerium (BMF) zahlreiche Posten im Bundeshaushalt. "Das BMF stoppt die Verpflichtungsermächtigungen in 2023, um Vorbelastungen für kommende Jahre zu vermeiden", hieß es am Montagabend aus Kreisen des Ministeriums. Dies betreffe Etats aller Ministerien. Eine Verpflichtungsermächtigung gibt einer Verwaltung die Möglichkeit, bereits für künftige Jahre Zahlungsverpflichtungen einzugehen, etwa bei mehrjährigen Vorhaben. Aktuelle Ausgaben in diesem Jahr sind demnach nicht betroffen.

Weiter hieß es, bestehende Verbindlichkeiten würden weiter eingehalten, es dürften nur keine neuen eingegangen werden. "In Ausnahmefällen können Verpflichtungsermächtigungen entsperrt werden."

Finanzministerium von Christian Lindner stoppt Finanzzusagen für kommende Jahre

Der Spiegel zitierte aus einem Schreiben des zuständigen Staatssekretärs Werner Gatzer, in dem dieser anordne, "alle in den Einzelplänen 04 bis 17 und 23 bis 60 des Bundeshaushaltsplans 2023 ausgebrachten und noch verfügbaren Verpflichtungsermächtigungen mit sofortiger Wirkung zu sperren".

Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche eine Umwidmung von Krediten von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Sie waren zur Bewältigung der Corona-Krise genehmigt worden, sollten aber für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Nun stehen die Milliarden im sogenannten Klima- und Transformationsfonds nicht zur Verfügung. Die Bundesregierung hatte daraufhin bereits vorübergehend bestimmte Vorhaben auf Eis gelegt, die aus dem Fonds finanziert werden sollten. Dabei ging es um Verpflichtungsermächtigungen für 2024 und die Folgejahre.

Am Dienstag sollen Experten sollen Bundestag und Bundesregierung helfen, die Folgen des Karlsruher Haushaltsurteils richtig zu interpretieren. Der Haushaltsausschuss hört dazu Sachverständige an, die von den unterschiedlichen Fraktionen benannt wurden. Vor allem soll es darum gehen, ob trotz des Urteils der Haushalt für 2024 beschlossen werden kann.

SPD-Franktionschef Rolf Mützenich will Aussetzen der Schuldenbremse

Um die Auswirkungen des Haushaltsurteils abzumildern, hält SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ein Aussetzen der Schuldenbremse für notwendig - mindestens für das Jahr 2024. "Wir werden aus meiner Sicht nicht darum herumkommen, für 2024 die Ausnahmeregel zu ziehen - womöglich auch länger", sagte Mützenich dem Magazin Stern. "Die Aufgaben, die vor uns stehen, sind ja nicht nächstes Jahr erledigt. Vor uns liegen gewaltige Herausforderungen, bei der Klimawende, der neuen Industriepolitik, aber auch außenpolitisch." Zuvor hatte bereits SPD-Chefin Saskia Esken dafür plädiert, die Schuldenbremse 2023 und 2024 nicht anzuwenden.

Bundeswirtschaftsminister Habeck hält die Schuldenbremse in der aktuellen Form für nicht mehr zeitgemäß, sieht aber keine Mehrheiten für eine Reform. "Ich persönlich mache keinen Hehl daraus, dass ich die Art, wie die deutsche Schuldenbremse konstruiert ist, für zu wenig intelligent halte", sagte Habeck am Montagabend in den ARD-Tagesthemen. Sie sei "sehr statisch" und unterscheide nicht zwischen Geldern, die im Laufe des Jahres ausgegeben werden, und Investitionen in die Zukunft, die sich erst nach Jahren rechnen. Das scheine ihm wenig klug, sagte der Grünen-Politiker.

Die Schuldenbremse "wurde auch gebaut in einer anderen Zeit, als wir immer billiges Gas aus Russland hatten, als China immer unsere Werkbank war oder unser Abnahmemarkt, als die Amerikaner immer verlässliche, treue Freunde waren und uns die militärische Last abgenommen haben, weil es keinen Krieg in Europa gab", sagte Habeck. Diese Voraussetzungen hätten sich verändert.

Linke: Dietmar Bartsch schlägt "Klimareichensteuer" vor

Die Debatte um die Schuldenbremse helfe in diesem Jahr trotzdem nicht weiter. "Es gibt einen Koalitionsvertrag, der Koalitionspartner und auch die Opposition hat klar gemacht, dass sie meine Meinung und die von vielen anderen, von vielen Ökonomen nicht teilen. Insofern ist das eine für die Zukunft wahrscheinlich entscheidende, vielleicht eine ganz entscheidende Debatte. Für die Gegenwart werden wir das Geld anders finden müssen", sagte der Wirtschaftsminister.

Ein Vorschlag kommt von Linksfraktionschef Dietmar Bartsch - er forderte eine "Klimareichensteuer". "Nach dem Urteil aus Karlsruhe darf es keine Sozialkürzungen geben, um das 60-Milliarden-Loch zu stopfen", sagte Bartsch dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstag). Nicht die "kleinen Leute", sondern Multimillionäre und Milliardäre sollten herangezogen werden, um Deutschland zu modernisieren. Weitere Einsparungen wären beim Sondervermögen für die Bundeswehr möglich, das die Linke ablehnt. Es solle auf den Prüfstand gestellt und relevant reduziert werden, forderte Bartsch.

CDU-Haushälter vor Anhörung: Klimaschutzprojekte wichtig

Der CDU-Haushaltsexperte Christian Haase sagte der Ampelkoalition eine konstruktive Mitarbeit an der Aufstellung des Bundeshaushaltes für 2024 zu, stellt zugleich aber wichtige Projekte infrage. Man müsse nun in Ruhe schauen, wie man den Etat hinbekomme, sagte Haase im Deutschlandfunk. "Wir wollen dann gemeinsam auch daran mitarbeiten, dass wir das wieder vernünftig auf den Weg bringen", versicherte Haase.

Haase machte deutlich, dass es in dem sogenannten Klima- und Transformationsfonds (KTF) sehr wichtige Projekte gebe, die auch über die Legislaturperiode hinaus fortgesetzt werden müssten. "Denn wir alle wissen, Investitionen in die Wirtschaft gibt es nur bei stabilen Rahmenbedingungen", betonte der CDU-Politiker. Zugleich stellte Haase wichtige Projekte der Ampel-Regierung infrage. Dabei nannte er die Kindergrundsicherung, das Bürgergeld und das Heizungsgesetz. Die Union wolle keine Sozialleistungen massiv kürzen, hinterfrage aber den zusätzlichen Aufwuchs, sagte Haase. (dpa)

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Ampelkoalition
Bundesverfassungsgericht
Bundeswehr
Bundeswirtschaftsminister
Christian Haase
Christian Lindner
Deutsche Presseagentur
Deutscher Bundestag
Deutschlandfunk
Dietmar Bartsch
Finanzministerien
Rolf Mützenich
Saskia Esken
Werner Gatzer
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen