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Wien
Skandalrepublik Österreich: Hybris und Fall der Wunderkinder
Sebastian Kurz und René Benko: Woher kommt die Bewunderung der Österreicher für scheinbar talentierte junge Männer, die rasch hoch aufsteigen und dann tief fallen?
Werner Reisinger
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:29 Uhr

Man könnte sie gut und gerne für Brüder halten, wäre da nicht der optische Unterschied: jung, immer bestens herausgeputzt, für die Kamera stets ein charmantes Lächeln bereit. Die Karrieren von Sebastian Kurz und René Benko haben aber vor allem eines gemeinsam: den rasanten Aufstieg wie den ebenso raschen, tiefen Fall. 

Quasi aus dem Nichts hat Benko, nachdem er die Schule abgebrochen hatte, sein Signa-Immobilien-Imperium aufgebaut, bald galt der Tiroler als "Selfmademan", als Finanz-Genie, das alles, was es in die Hand nahm, zu Gold machte. Fast wie aus dem Nichts betrat einst auch Kurz die Bühne der Politik, im Alter von nicht einmal 25 Jahren bekleidete er 2011 den Posten des Integrationsstaatssekretärs, wurde dann Außenminister und nach seinem fulminanten Wahlsieg im Herbst 2017 schließlich der jüngste Bundeskanzler aller Zeiten. 

Kurz und Benko stehen heute vor den Trümmern ihrer Karrieren

Heute steht der eine vor den Trümmern seines Immobilien-Imperiums, von den Aberdutzenden Subfirmen und Signa-Töchtern meldet eine nach der anderen Insolvenz an und für seine riesige Villa in Iglis bei Innsbruck, so berichtet der österreichische Standard, soll wegen Steuerschulden in Millionenhöhe ein Pfandrecht eingetragen worden sein. Der andere, Kurz, steht wegen möglicher Falschaussage vor Gericht – und im Zentrum eines der größten Korruptionsskandale, die Österreich je gesehen hat. 

Dabei schien die Bewunderung für beide noch vor wenigen Jahren keine Grenzen zu kennen: Deutsche, österreichische, aber auch internationale Medien überschlugen sich in Lobeshymnen. Vom „größten politischen Talent seit Bruno Kreisky“ war die Rede, wenn es um Kurz ging – und das keineswegs nur in den Boulevardmedien. Nicht wenige Politiker von CDU und CSU sehnten sich nach einem deutschen Sebastian Kurz. Schließlich war man, nach vielen Jahren mit Angela Merkel, des Mitte-Kurses der Union überdrüssig. Voller Neid blickte man in den Parteizentralen nach Wien und auf die Erfolgswelle, die der junge, fesche Parteichef den strauchelnden Konservativen eingebracht hatte. 

Während das Polit-Wunderkind Kurz auf dem Zenit stand, scharte Benko, das Immobilien-Wunderkind, die Spitzen aus Politik und Wirtschaft um sich. Alljährlich pilgerten nicht nur Vertreter der Wirtschaft und zahlungskräftige Investoren zu seinen „Törggelen“-Festen – ein Südtiroler Brauch –, sondern vor allem Prominenz aus allen Parteien. Für Ex-Politiker, wie den ehemaligen Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, war das Netzwerken mit Benko recht lukrativ: Der Sozialdemokrat saß bei Benkos Signa im Aufsichtsrat, fungierte als Berater – und ließ sich das, wie aus Recherchen der Zeitschrift News hervorgeht, fürstlich bezahlen. 

Ein Problem mit der heute als Pyramide beschriebenen Architektur des Signa-Imperiums hatte Gusenbauer nie. Sein stets stolz zur Schau gestelltes Engagement für Benko wird nun zum Problem für den neuen SPÖ-Chef Andreas Babler. In Teilen der linken Basis, auf die sich Babler stützt, wird der Ruf nach einem Parteiausschluss Gusenbauers lauter, ein entsprechender Antrag wurde von einer Wiener Parteisektion bereits beschlossen – und soll bei nächster Gelegenheit dem Parteitag vorgelegt werden. 

René Benko schuldet Sebastian Kurz noch eine Million

Wie Gusenbauer ist auch Kurz nun Gläubiger von Benko – der gescheiterte Kanzler soll seinem Freund noch 2022, als es um die Signa Sports United schon nicht mehr gut bestellt war, geholfen haben, in Abu Dhabi Investorengelder zu akquirieren. Mehr als eine Million Euro Beraterhonorar soll Benko dafür schuldig geblieben sein. 

Wie kommt es, dass sich gerade in Österreich Skandale so häufen? Dass Korruption zwar allseits kritisiert wird, Konsequenzen aber häufig ausblieben? Und woher kommt der Hang zu scheinbaren Erlöserfiguren aus der Politik? 

Demonstrative Nähe zwischen den politisch Mächtigen und mehr oder weniger dubiosen Macherfiguren hat in Österreich lange Tradition, schon in den 70er Jahren umgab sich der populäre SPÖ-Kanzler Bruno Kreisky nicht nur mit Intellektuellen, sondern suchte auch die Nähe des später wegen Mordes verurteilten Unternehmers und Netzwerkers Udo Proksch. Zu Beginn des nächsten Jahrtausends sorgte der konservative Kanzler Wolfgang Schüssel, der die von Jörg Haider geführte FPÖ in die Regierung holte, für einen fundamentalen Personalwechsel. Haider, der sich mit einer „Buberlpartie“ genannten Riege junger, „fescher“ und unerfahrener Quereinsteiger umgab, war ein gefundenes Fressen für die Boulevardzeitungen, die seit jeher den Medienmarkt dominieren.

Schon Jörg Haider kam mit einer "Buberlpartie" daher

Zum Erfolg Haiders, quasi Erfinder des Rechtspopulismus österreichischer Prägung, trugen nicht nur die reichweitenstarke Kronen Zeitung, sondern auch Qualitätsblätter bei. Zu verlockend war es hinsichtlich der Verkaufszahlen, all die Haider-Coverfotos zu bringen. Besonders angetan hatte es der Krone, dem Lieblingsblatt der Österreicher, in jenen Tagen Finanzminister Karl-Heinz Grasser – auch er war von Haider in die Politik geholt worden. Grasser sagte von sich selbst, er sei „zu schön, zu jung und zu intelligent“ und würde deshalb den Zorn der „Neidgesellschaft“ auf sich ziehen. 

Die Zivilgesellschaft in Österreich scheint seit jeher zu schwach zu sein, um Selbstdarstellern und Blendern den Glanz zu nehmen. Während in den Nullerjahren noch Hunderttausende gegen die Schüssel-Haider-Regierung auf die Straße gegangen waren, ging die Koalitionsbildung von Sebastian Kurz mit Heinz-Christian Strache 2018 beinahe ohne öffentliche Aufregung über die Bühne. 

Jung, rhetorisch bestens geschult, dafür aber ohne Erfahrung und mit einem enormen Zug zum Tor – die Parallelen zwischen der „Buberlpartie“ der Haider-Schüssel-Jahre und der neuen Generation um Kurz und Benko sind augenscheinlich. Übrigens endete auch der rasante Aufstieg des schillernden Finanzministers Grasser, verheiratet mit der Swarowski-Erbin Fiona Pacifico Griffini, im Desaster – und vor Gericht. Grasser wurde wegen Untreue zu acht Jahren Haft verurteilt. Er beteuert seine Unschuld – das Urteil ist bis heute nicht rechtskräftig.

 
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