Nun hat Hans Peter Doskozil das, was er wollte. Nachdem der burgenländische Landeshauptmann und dortige SPÖ-Landesparteichef jahrelang jede Gelegenheit genutzt hatte, die Parteiführung in Wien unter Pamela Rendi-Wagnerüber und unter der Gürtellinie anzugreifen, brachte Doskozil Anfang der Woche den Konflikt zur Eskalation: Am Dienstag rückte der Burgenländer aus der Deckung und kündigte an, sich um den Parteivorsitz bewerben zu wollen.
Die Parteibasis soll in einem Mitgliederentscheid darüber abstimmen, ob er oder Rendi-Wagner künftig die Sozialdemokraten führen sollte. Einem Parteitag, wie ihn Rendi-Wagner zur Klärung des Konflikts mit Doskozil im Sinn gehabt hätte, würde er jedenfalls fern bleiben, ließ Doskozil in seiner „Bewerbung“ wissen. Es gibt Parallelem zu Friedrich Merz und dessen dritten Anlauf auf die CDU-Spitze. Wie Merz damals in der Union, hat auch der Burgenländer Sympathien vor allem an der Basis. Eine Kampfabstimmung auf einem Parteitag, organisiert von Rendi-Wagners Vertrauten, wäre für ihn aussichtslos.
Machtkampf in der SPÖ: Pamela Rendi-Wagner blieb nichts anderes übrig, als nachzugeben
Rendi-Wagner blieb nichts anderes übrig, als Doskozils Forderungen nachzugeben – sonst hätte dieser seine Angriffe wohl unvermindert fortgesetzt und so die öffentliche Selbstzerfleischung der SPÖ weiter vorangetrieben. Die Basis soll nun das Wort haben, allerdings nicht mittels Mitgliederentscheid, sondern in einer „Befragung“ – das Ergebnis soll auf einem Bundesparteitag bestätigt werden. So etwas hat es in der 134-jährigen Geschichte der Partei noch nie gegeben – schließlich sehen die Parteistatuten vor, dass die Vorsitzfrage nur auf einem Parteitag geklärt werden kann.
Der Kampf zwischen Rendi-Wagner und Doskozil ist mitnichten nur ein Showdown zwischen zwei SPÖ-Granden: Die beiden repräsentieren als Personen einen tief liegenden ideologischen Richtungsstreit der österreichischen Sozialdemokraten. Auf der einen Seite stehen jene, die die SPÖ als linksliberale Partei der urbanen Mittelschichten sehen, geführt von einer Frau, die als Epidemiologin dieses akademisch geprägte Milieu repräsentiert.
Hans Peter Doskozil steht für eine Art von Retro-Sozialismus
Auf der anderen Seite stehen jene, die die Partei zurück zu ihren Wurzeln führen wollen: Doskozils Stil im Burgenland hat etwas von Retro-Sozialismus, der ehemalige Polizist gibt das Geld mit beiden Händen aus. Burgenländische Maßnahmen wie die Möglichkeit, sich als pflegender Angehöriger vom Land anstellen lassen zu können, eine neue Wohnbau-Offensive und ein Mindestlohn von 2000 Euro netto für öffentlich Bedienstete kommen aber nicht nur bei roten Wählern gut an.
Das alles kombiniert Doskozil mit einem Mitte-Rechts-Kurs in Migrationsthemen – Kritiker werfen ihm und seinen Anhängern vor, wenig Berührungsängste mit der rechten FPÖ zu haben. „Man kann nicht ein bisschen rechts sein“, so wie man auch nicht „ein bisschen schwanger“ sein könne, sagt dazu Rendi-Wagner.
Ob nach dem Duell Frieden in der SPÖ einkehrt, ist mehr als fraglich
Mit dem Match zwischen den beiden Kontrahenten trägt die SPÖ nun auch diesen ideologischen Streit auf offener Bühne aus –auch wenn man in Wien versucht, den „Wahlkampf“ vor der Mitgliederbefragung als „gemeinsame Kampagne“ darzustellen, der dazu dienen soll, zusammen mit der Basis eine neue Perspektive für die orientierungslos gewordenen Roten zu erarbeiten. Ob dies gelingen wird, ist mehr als fraglich.
Eine Befragung der 140.000 Mitglieder wird jedenfalls teuer – die aufgebrachten Mittel werden der SPÖ im Wahlkampf vor der Nationalratswahl 2024 fehlen. Ist die Entscheidung erst einmal herbeigeführt, wird die Spaltung der Partei dennoch bestehen bleiben. Österreichs Sozialdemokraten sind in der härtesten Krise ihres Bestehens.