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Wien
Österreichs Außenminister fordert von EU eine "Wehrhaftigkeitsagenda"
Alexander Schallenberg (ÖVP) macht sich keine Sorgen wegen der Wahlerfolge der Rechten in Europa. Er blickt auch optimistisch auf die Zeit nach den Nationalratswahlen im Herbst.
Werner Reisinger
 |  aktualisiert: 26.10.2024 02:37 Uhr

„Es wird nicht ruhiger werden“, sagt Alexander Schallenberg. Der österreichische Außenminister lud am Montagabend die internationale Presse zum ausführlichen Gespräch in seine Amtsräumlichkeiten – und rief angesichts der Wahlen in Frankreich, Großbritannien und vor allem den US-Wahlen im November dazu auf, "einen kühlen Kopf zu bewahren". Überhaupt war Schallenberg, der nach einem kurzen Intermezzo als Bundeskanzler nach dem Abgang von Sebastian Kurz nun seit fünf Jahren wieder das Außen-Ressort führt, bemüht, Optimismus zu verbreiten. Europa, davon ist Österreichs erster Diplomat überzeugt, stehe mitnichten vor einem Abgrund – ganz im Gegenteil. Die EU und Europa, so könnte man Schallenbergs Position zusammenfassen, werden ihren Weg schon finden.

Der Sieg des Rassemblement National von Marine Le Pen in Frankreich und die Diskussion über einen möglichen Wahlsieg der extrem rechten FPÖ bei den österreichischen Nationalratswahlen im Herbst scheinen den ÖVP-Minister nicht aus der Ruhe zu bringen. Der Rechtsruck werde "von zahlreichen Medien herbeigeschrieben", sagt Schallenberg. Schließlich hätten die EU-Wahlen und die Zugewinne für die Konservativen gezeigt, dass auch "die Bäume der extremen Rechten nicht in den Himmel wachsen". Es ist nicht zu übersehen: Es ist Wahlkampf in der Alpenrepublik. Und der geht auch am Außenminister von Kanzler Karl Nehammers Partei ÖVP nicht vorbei. 

Österreich sieht Migration als beherrschendes Thema

"Standort und Sicherheit", das seien für ihn die beiden zentralen Themen in der EU-Politik, sagt Schallenberg: Es gehe um eine europäische Industriepolitik und um eine Handelsstrategie, bei der man "hier und da auch mal die Glacéhandschuhe ausziehen" werde müssen. Er habe eine klare Erwartung an die EU-Kommission und ihre alte und wohl neue Präsidentin, Ursula von der Leyen: Statt einer "Friedensagenda", wie sie 2019, vor dem russischen Überfall auf die Ukraine und vor der Pandemie beschlossen worden sei, brauche es jetzt eine "Wehrhaftigkeitsagenda". Vor allem die Migrationspolitik müsse ganz oben auf der EU-Agenda stehen: "Wie viele Wahlen will man noch abwarten, bis man endlich kapiert?" Griechenland, Zypern und Österreich seien die Staaten, die pro Kopf von Migration am stärksten belastet seien, betont Schallenberg. "Das ist ein Problem". Schließlich könne man den – mit Ausnahme der Schweiz und Lichtensteins – nur von Schengen-Ländern umgebenen Österreichern nicht erklären, wie es sein könne, dass man in Kontinentaleuropa regelmäßig die höchste Zuwanderung verzeichne. Schallenberg sieht Österreich als "Speerspitze", wenn es darum geht, illegale Zuwanderung verhindern. Dafür habe man die letzten Jahre schon "viel einstecken müssen2, aber: "Wir werden das auch weiterhin machen, einfach, weil es notwendig ist." 

Der Hauptfokus seiner Arbeit liege aber aktuell am Westbalkan, sagt Schallenberg. Sorgen würden ihm hier vor allem die Spannungen in Nordmazedonien bereiten. Neben Russlands Krieg in der Ukraine seien der Balkan und die politische Situation dort von zentraler Bedeutung für Österreichs Sicherheit: "Wir haben zwei Seismografen: einer im Osten und einer im Süden. Und beide schlagen aktuell aus", drückt es der Minister aus. 

ÖVP will Teil der Regierungsverhandlungen sein

Ginge es nach ihm, müsse die EU auch geopolitisch auf Touren kommen: "Der globale Süden versteht uns nicht mehr." 

Für die Zeit nach der Nationalratswahl rechnet Schallenberg fest damit, dass die ÖVP Teil der Regierungsverhandlungen sein werde. Er selbst stehe weiter für das Amt des Außenministers zur Verfügung. Nur eine Koalition seiner ÖVP mit Kickl an der Spitze der FPÖ schließt Schallenberg aus – was die FPÖ an sich betrifft, bleibt Schallenberg vage. Mit anderen Köpfen in der FPÖ würde es "anders aussehen". Doch die seien, so der Außenminister, in der FPÖ ohnehin eher schwer zu finden.

 
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