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Istanbul
Knackpunkt Türkei: Nach dem Nato-Streit ist vor dem Nato-Streit
Obwohl Erdoğan zusagte, den Weg für den Beitritt Schwedens freizumachen, soll das türkische Parlament jetzt erst im Oktober darüber abstimmen. Neuer Krach zeichnet sich ab.
Erdogan, Stoltenberg, Kristersson.jpeg       -  Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (links) und der schwedische Regierungschef Ulf Kristersson (rechts) reichen sich im Beisein von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Hände.
Foto: Yves Herman/Reuters/AP, dpa | Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan (links) und der schwedische Regierungschef Ulf Kristersson (rechts) reichen sich im Beisein von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Hände.
Susanne Güsten
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:09 Uhr

Als Neuanfang in den Beziehungen der Türkei zum Westen feierte Recep Tayyip Erdoğan den Nato-Gipfel von Vilnius zunächst. Die Türkei und ihre Partner hätten „Entscheidungen von kritischer Bedeutung“ getroffen, erklärte der türkische Präsident. Doch kaum war das Treffen der Staats- und Regierungschefs der westlichen Allianz in der litauischen Hauptstadt vorbei, stellte Erdoğan den wichtigsten Gipfelbeschluss infrage. Obwohl er in Vilnius zusagte, den Weg für den Beitritt Schwedens freizumachen, soll das türkische Parlament jetzt erst im Oktober über den schwedischen Antrag abstimmen. Die neue Verzögerung ist von Erdoğan gewollt – neuer Krach zeichnet sich ab.

Dabei waren Erdoğans westliche Partner in Vilnius erleichtert, dass der türkische Präsident nach einjähriger Blockade grünes Licht für die Aufnahme von Schweden gab. US-Präsident Joes Biden gratulierte Erdoğan zu „Mut, Führungsstärke und Diplomatie“. Erdoğan lobte sein Gespräch mit Biden am Rande des Nato-Treffens als „sehr ergiebig“. 

Türkisches Parlament will Entwicklung in Schweden beobachten und dann erst entscheiden

Die gute Stimmung hielt nicht lange. Noch vor seiner Heimreise sagte Erdoğan, das Parlament in Ankara werde sich erst nach Ende der Sommerpause im Oktober mit der Ratifizierung des schwedischen Beitrittsantrages befassen. Auf dem Rückflug in die Türkei fügte er nach einer Meldung der Zeitung Hürriyet vor mitreisenden Journalisten hinzu, das Parlament werde die Entwicklung beobachten und danach entscheiden. Erdoğans rechtsnationalistischer Koalitionspartner in Ankara, Devlet Bahceli, äußerte sich unzufrieden mit der Aussicht, Schweden in die Nato zu lassen. 

Erdoğans Partei AKP und Bahcelis MHP haben die Mehrheit im Parlament und könnten den schwedischen Beitrittsantrag sofort von der Volksvertretung abnicken lassen, wenn sie das wollten. Doch der Präsident will das Druckmittel des türkischen Vetorechts gegen die Aufnahme neuer Nato-Mitglieder nicht sofort aus der Hand geben. Das bedeutet: Sicher ist die Ratifizierung des schwedischen Antrags auch nach Erdoğans Zusage in Vilnius nicht. 

Die Liste der türkischen Bedingungen ist länger als vor dem Gipfel

Die Liste der türkischen Bedingungen für eine Zustimmung ist länger als vor dem Gipfel. So pocht die Türkei darauf, dass alle offiziellen oder inoffiziellen Waffenembargos anderer Nato-Staaten gegen Ankara aufgehoben werden, wie Erdoğan in seinem Gespräch mit den Journalisten im Flugzeug sagte. Besonders wichtig ist ihm die Lieferung amerikanischer Kampfflugzeuge vom Typ F-16 an die Türkei. Ankara wartet seit zwei Jahren darauf. 

Erdoğan will auch weitere Zugeständnisse von Schweden bei der Verfolgung türkischer Regimegegner sehen. Konkret soll die Regierung in Stockholm die Aktivitäten von Gruppen wie der Terrororganisation PKK auf türkischem Boden „beenden“, wie Erdoğan sagte, und türkische Regierungskritiker ausliefern, die von der Türkei als Terroristen bezeichnet werden. Außerdem erwartet Erdoğan schwedische Unterstützung in der EU: Europa soll die Zollunion mit der Türkei ausweiten und die Visumspflicht für Türken bei Reisen in die EU aufheben. 

F-16-Kampfflugzeuge: Im US-Kongress hat die Türkei einen schlechten Ruf

Verzögern und warten können allerdings auch andere, nicht nur die Türkei. Im US-Kongress, der dem Verkauf der F-16 zustimmen muss, hat die Türkei einen schlechten Ruf. Ein Ja der Türkei zum schwedischen Beitritt würde das amerikanische Parlament geneigter stimmen, doch so lange die Türkei mit der Zustimmung zu Schweden zögert, dürfte aus der Lieferung der Flugzeuge nichts werden. 

Auch in den Beziehungen zur EU dürfte Erdoğan nicht das erreichen, was er will. Brüssel verlangt als Voraussetzung für eine Wiederbelebung des türkischen Beitrittsprozesses eine Reform des autokratischen Systems in Ankara, doch davon will Erdoğan nichts wissen. Auf die Forderung der EU nach politischen Veränderungen in der Türkei angesprochen, sagte der Präsident, sein Land brauche keine Reformen: „Die Türkei hat keine Probleme mit Demokratie und Grundrechten.“

 
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