Ein Friedensschluss zwischen Saudi-Arabien und Israel ist der heilige Gral der Nahost-Diplomatie. Wenn sich die arabische Führungsnation und Hüterin der höchsten Heiligtümer des Islam mit dem jüdischen Staat versöhnen sollte, wäre das ein historischer Durchbruch, der die ganze Region verändern würde. US-Präsident Joe Biden wünscht sich ein solches Abkommen, um seine Chancen für eine Wiederwahl im kommenden Jahr zu verbessern, und lässt seine Berater mit der saudischen Regierung verhandeln. Dabei gibt es Fortschritte, wie Washington jetzt bekannt gab. Doch der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman will sich seine Zustimmung teuer abkaufen lassen.
Die arabischen Staaten haben seit der Gründung Israels 1948 mehrere Kriege gegen den jüdischen Staat geführt und lehnten eine Anerkennung Israels wegen der ungeklärten Palästinenser-Frage lange ab. Ägypten war 1979 das erste arabische Land, das Frieden mit Israel schloss, 1994 folgte Jordanien. Mehr als 20 Jahre später bewegten die USA als Schutzmacht Israels im Jahr 2020 auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain und Marokko dazu, Israel in den sogenannten „Abraham-Verträgen“ anzuerkennen.
Saudi-Arabien gilt als die Wiege des Islam
Die saudischen Könige verstehen sich als Anführer der islamischen Welt, weil der Islam im heutigen Saudi-Arabien entstand und die heiligen Städte Mekka und Medina in ihrem Reich liegen. Eine offizielle Aussöhnung der Saudis mit Israel wäre deshalb ein Signal von weltpolitischer Bedeutung. So weit will die Führung in Riad bisher nicht gehen, auch wenn sie informell mit Israel kooperiert.
Eine offizielle Normalisierung würde zwar zum politischen Programm von Mohammed bin Salman passen, der Saudi-Arabienöffnen will. Doch der Kronprinz, wegen der angeschlagenen Gesundheit des 87-jährigen Königs Salman der starke Mann in Riad, zögert noch. „Eine Normalisierung mit Israel wird in Saudi-Arabien weiterhin sehr skeptisch betrachtet“, sagt Sebastian Sons, Experte für die Golf-Region bei der Bonner Denkfabrik Carpo.
Israel ist bei vielen Menschen in Saudi-Arabien verhasst
Das liegt zum einen daran, dass die Feindschaft mit Israel und die Solidarität mit den Palästinensern in der saudischen Gesellschaft tief verwurzelt sind. Das kann der Kronprinz, genannt MBS, nicht ignorieren. „MBS muss Rücksicht auf die Stimmung in der eigenen Bevölkerung nehmen“, sagte Experte Sons unserer Redaktion. Laut einer Umfrage der Denkfabrik Washington Institute for Near East Policy würden nur 20 Prozent der Saudis einen Beitritt ihres Landes zu den „Abraham-Verträgen“ befürworten.
„Auch sieht Saudi-Arabien bei anderen arabischen Staaten der Region bisher keine große politische oder wirtschaftliche Rendite“ ihrer Verträge mit Israel, sagt Sons. Die VAE zum Beispiel hofften vergeblich auf die Lieferung der neuesten US-Kampfflugzeuge vom Typ F-35. Dagegen arbeiten Regimes wie das in Katar ohne formellen Friedensvertrag mit Israel zusammen und sparen sich Ärger mit der eigenen Bevölkerung.
Das verlangt der saudische Kronprinz als Gegenleistung
Kronprinz MBS hat es deshalb nicht eilig. Er weiß, dass Biden eine saudisch-israelische Aussöhnung gerne im amerikanischen Wahlkampf als Trumpfkarte ausspielen würde. Deshalb pokert der Thronfolger in seinen Verhandlungen mit den Amerikanern hoch. Zu seinen Forderungen gehören nach Medienberichten neue Sicherheitsgarantien der USA, die Amerikaähnlich wie beim Beistandsversprechen in der Nato zu einer militärischen Reaktion verpflichten würde, wenn Saudi-Arabien angegriffen wird. Damit will MBS sein Land gegen den Iran absichern.
Der saudische Kronprinz verlangt auch die Lieferung amerikanischer Atomtechnologie, damit Saudi-Arabien eigene Atomkraftwerke bauen kann. Bisher lehnt die US-Regierung das ab, weil sie befürchtet, dass ein ziviles Atomprogramm eines Tages militärisch genutzt und ein atomares Wettrüsten im Nahen Osten auslösen könnte. Die Saudis fordern darüber hinaus Zugeständnisse Israels für eine Zwei-Staaten-Lösung mit Israel und einem künftigen Palästinenser-Staat. Washington verlangt im Gegenzug, dass MBS seine Annäherung an China beendet. Fraglich ist auch, ob Israels rechtsreligiöse Regierung Zugeständnisse an die Palästinenser akzeptieren würde.
Trotz der ungeklärten Fragen gehen hochrangige saudisch-amerikanische Gespräche voran. Die US-Regierung dementierte allerdings einen Bericht des Wall Street Journal, wonach der Vertrag noch vor der US-Wahl im November 2024 unterschriftsreif sein werde. Außenamtssprecher Matthew Miller sagte, es gebe zwar Fortschritte, aber ein Erfolg sei nicht garantiert: „Es liegt noch eine weite Wegstrecke vor uns.“