
Die deutsche Politik sucht den Schulterschluss in der Asylpolitik und möchte die drängendsten Probleme des Landes gemeinsam angehen. Doch nach dem Spitzentreffen zum sogenannten Deutschlandpakt mit Kanzler Olaf Scholz, CDU-Chef Friedrich Merz sowie den beiden Ministerpräsidenten Boris Rhein und Stephan Weil im Kanzleramt betonten Union und SPD am Wochenende bereits wieder ihre Unterschiede an klaren Fronten.
So warnte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil die Union vor parteitaktischen Spielchen: "Wir strecken die Hand aus. Da dürfen jetzt keine Spiele gespielt werden. Wir tragen gemeinsam Verantwortung für dieses Land". Zugleich stichelte er, die CDU-Ministerpräsidenten von Hessen und Schleswig-Holstein würden den scharfen Kurs von CDU-Chef Friedrich Merz nicht mittragen. "Daher bin ich zuversichtlich, dass wir auch mit den unionsgeführten Ländern Lösungen finden", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Spitzentreffen bei Kalbsschnitzel und Bratkartoffeln verlief konstruktiv
Merz wiederum stellte in der Bild am Sonntag Bedingungen für eine Einigung mit der Bundesregierung: "Wir sind uns im Ziel einig: Die hohen Zahlen der illegalen Einwanderung müssen schnell nach unten", sagte er der Zeitung. "Eine Zusammenarbeit kommt aber für uns nur in Betracht, wenn die im Rahmen eines Deutschlandpakts vereinbarten Maßnahmen substanziell und wirksam sind. Sie müssen geeignet sein, eine weitgehende Begrenzung beziehungsweise einen Stopp der illegalen Migration nach Deutschland zu erreichen."
Schon das Treffen der Spitzenpolitiker von SPD und Union am Freitagabend in der Dienstwohnung des Kanzlers bei Kalbsschnitzel und Bratkartoffeln verlief, wie es hinterher hieß, konstruktiv, aber noch ohne konkrete Ergebnisse. Merz legte bei dem Treffen ein Forderungspapier mit 26 Punkten vor. Die Frage ist nun, ob Scholz und die Ampel-Regierung dieses Papier mittragen wollen. Klarheit dürfte frühestens das Treffen von Scholz mit der Ministerpräsidentenkonferenz am 6. November bringen.
In dem unserer Redaktion vorliegenden Unions-Forderungspapier unter dem Titel "Deutschlandpakt: Maßnahmen zur Begrenzung illegaler Migration" fordert die von Merz angeführte CDU/CSU-Bundestagsfraktion zunächst "nationale Maßnahmen". Gleich die erste Forderung dürfte für die SPD starker Tobak sein.
Ampel könnte in Zukunft Sach- Vorrang vor Geldleistungen geben
"Gemeinsames Verständnis, dass Deutschland mit Blick auf die Integrations-Infrastruktur und den gesellschaftlichen Zusammenhalt eine Asylzuwanderung bis maximal 200.000 Personen pro Jahr verträgt", heißt es dort: "Vor diesem Hintergrund: Regierungserklärung des Bundeskanzlers mit dem Signal: Deutschlands Aufnahmekapazitäten sind erschöpft." Derzeit ist kaum vorstellbar, dass Scholz sich von der Union vorschreiben ließe, mit welchen Inhalten er seine Regierungserklärungen füllt.
Zudem bekräftigt die Union viele Forderungen der vergangenen Wochen. Beispielsweise nach einer "Einführung lageangepasster, stationärer Grenzkontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und zur Schweiz" oder die "Einrichtung von Transitzonen und Rückkehrzentren". In den Transitzonen soll es an den Landesgrenzen nach dem Willen der Union ein beschleunigtes Verfahren für Asylbewerber mit geringer Bleibeperspektive geben. Ob die Ampel hier mitgeht, ist fraglich. Mitgehen könnte die Koalition eventuell bei der Forderung, dass Sachleistungen in Zukunft Vorrang vor Geldleistungen haben sollen.
Aus Unionskreisen verlautete nach dem Treffen, Scholz "habe die Vorschläge zur Kenntnis genommen." In der üblichen Politiksprache heißt das nichts anderes als: Er hat zugehört, aber nicht erkennen lassen, dass er den CDU/CSU-Forderungen auch nur ansatzweise entgegenkommen will.