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Berlin
Hohe Zahl von Asylsuchenden setzt Scholz und die Ampel unter Zugzwang
Die Koalition gerät in der Migrationspolitik auch in den eigenen Reihen unter Druck. Brandenburgs Ministerpräsident Woidke folgt Union sowie FDP und schlägt die Ablösung von Geldleistungen vor.
Ampel-Koalition.jpeg       -  Wirtschaftsminister Robert Habeck (v.l.), Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner bei einer Kabinettssitzung im Kanzleramt.
Foto: Michael Kappeler, dpa (Archivbild) | Wirtschaftsminister Robert Habeck (v.l.), Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Lindner bei einer Kabinettssitzung im Kanzleramt.
Stefan Lange
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:17 Uhr

Die Bundesregierung gerät vor dem Hintergrund stark steigender Flüchtlingszahlen nun auch in den eigenen Reihen immer mehr unter Druck. Mit dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke meldete sich erstmals ein SPD-Spitzenpolitiker zu Wort, der bei der Versorgung von Asylsuchenden auf eine Umstellung von Geld- auf Sachleistungen dringt. Zuvor hatte es solche Forderungen vor allem aus der Opposition gegeben. Ziel ist es, Deutschland als Zielland weniger attraktiv zu machen und den Flüchtlingszuzug zu begrenzen. Wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mitteilte, wurden bis September 233.744 Erstasylanträge entgegengenommen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ist das eine Zunahme um mehr als 73 Prozent. Hinzu kommen die Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine nach Deutschland flüchten. Sie tauchen in der Asylstatistik nicht auf, weil sie keinen Antrag stellen müssen. 

Regierungskreise gehen mittlerweile davon aus, dass die Zahl der Asylanträge am Jahresende zwischen 330.000 und 350.000 liegen wird. Außerdem halten sich mindestens eine Million ukrainische Flüchtlinge in Deutschland auf. Die Länder sind für die Unterbringung direkt verantwortlich und schlagen Alarm: Ihnen gehen die Unterkunftsmöglichkeiten aus. Der nahende Winter verschärft die Lage zusätzlich, weil viele Geflüchtete bisher in Zelten unterkommen.

Brandenburgs Ministerpräsident Woidke: Sachleistungen statt Bargeld

Die Regierungschefs und -chefinnen der Länder kommen am Donnerstag und Freitag in Frankfurt zur regulären Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) zusammen, um über die Lage zu beraten. Die Zusammenkunft dient vor allem der Vorbereitung von Treffen mit der Bundesregierung: Kommenden Mittwoch ist eine Besprechung der MPK mit Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) in Berlin geplant. Am 6. November wird es ein Treffen mit Kanzler Olaf Scholz geben. Die Atmosphäre ist aufgeheizt, denn eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die Vorschläge zur Flüchtlingsfinanzierung machen sollte, ging ohne Ergebnis auseinander. Die Länder werfen der Ampel-Regierung vor, sich nicht bewegt zu haben. 

Zu den besonders betroffenen Länderchefs gehört Dietmar Woidke. Brandenburg verzeichnet eine deutliche Zunahme irregulärer Einreisen an der Grenze zu Polen, der SPD-Politiker steht ein Jahr vor einer Landtagswahl und dringt auf Schritte zur Eindämmung. „Um die Anreize zur Migration nach Deutschland zumindest etwas zu verringern, halte ich die Umstellung von Barzahlungen auf Sachleistungen für einen ersten geeigneten Schritt“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Union und FDP sehen das ähnlich, die Liberalen werben beispielsweise für Prepaid-Bezahlkarten. Hintergrund ist die Vermutung, dass Flüchtlinge Bargeld ins Ausland zu ihren Verwandten schicken. 

Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei warf der Regierung vor diesem Hintergrund erneut einen kompletten Kontrollverlust vor. „Der Bund kontrolliert gar nichts. Er akzeptiert einfach, dass wir jeden Tag mehr als 700 Asylanträge in Deutschland haben“, sagte der CDU-Politiker. Der Bund wisse nicht, wie es in den nächsten Tagen weitergehe. „Er tut nichts, er kann nichts und er will nichts“. 

Sachverständige mahnen Reformen der Asylpolitik an

Frei forderte die Bundesregierung auf, wenigstens für eine auskömmliche Finanzierung zu sorgen, wenn sie schon an anderer Stelle untätig sei. Das Gegenteil aber sei der Fall. Im vergangenen Jahr habe der Bund 3,75 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Für das kommende Jahr seien nur noch 1,7 Milliarden Euro für den Bereich der Asylsuchenden eingeplant. Für die Menschen aus der Ukraine wolle der Bund gar nichts mehr an die Länder überweisen.

Ein bereits im September veröffentlichtes Jahresgutachten des aus neun Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bestehenden Sachverständigenrates für Integration und Migration stützt die Forderung nach einem Umsteuern in der Asylpolitik. Das Gremium hat dabei insbesondere die EU im Blick, zählt aber auch die Koalition an. „Ich glaube, dass die Ampel-Regierung auch in der Migrationspolitik für Veränderungen sorgen muss, damit die Parteien, aus denen sie besteht, im nächsten Jahr nicht völlig unter die Räder kommen“, sagte der Vorsitzende Hans Vorländer. 

 
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