In Griechenland kommen immer mehr irreguläre Migranten an. In den ersten acht Monaten 2023 hat sich die Zahl der Ankünfte auf den griechischen Inseln gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis setzt auf Kooperation mit der benachbarten Türkei, um die Zuwanderung zu bremsen.
Athen und Ankara sind nach Jahren schwerer Spannungen auf Annäherungskurs. Das zeigte sich vergangene Woche beim Treffen des griechischen Premiers Kyriakos Mitsotakis mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan bei der Uno-Vollversammlung in New York. Jetzt kommt auch das heikle Thema Migration auf die Tagesordnung. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sind in diesem Jahr bis Mitte September bereits 25.516 Migranten auf dem Land- oder Seeweg aus der Türkei nach Griechenland gekommen. Im gesamten Vorjahr waren es 16.700. Athen muss allerdings mit dem Vorwurf von Menschenrechtsorganisationen leben, dass die griechische Küstenwache Pushbacks vornimmt – sprich Flüchtlinge illegal zurückweist. Die Regierung bestreitet dies vehement.
Griechenland ergreift die Initiative für einen neuen Deal mit Ankara
Um die Ströme zu bremsen, sondiert die griechische Regierung jetzt in Gesprächen mit der Türkei eine Neuauflage des 2016 zwischen der Europäischen Union und Ankara geschlossenen Flüchtlingsdeals. „Wir wollen eine Vereinbarung, das Klima dafür ist günstig“, sagt der griechische Migrationsminister Dimitris Kairidis. Man strebe eine Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei an, da es um ein europäisch-türkisches Problem gehe, sagte der Minister. Griechenland habe die Initiative ergriffen, „weil wir wegen unserer Außengrenze mit der Türkei ein besonderes Interesse an einer Lösung haben“, so Kairidis.
Das Thema Migration beschäftigte Mitsotakis und Erdogan schon bei ihrem Treffen in New York, wie der griechische Premier bestätigte: „Die Kooperation der Türkei ist unerlässlich, um die Migrationsströme auf ein Minimum zu reduzieren“, sagte Mitsotakis nach dem Gespräch. Am 7. Dezember wollen die Regierungschefs im nordgriechischen Thessaloniki erneut zusammentreffen und eine Erklärung zur Migrationspolitik unterzeichnen. Dabei soll es um eine engere Zusammenarbeit der Küstenwachen beider Länder in der Ägäis und die Sicherung der Landgrenze im Norden gehen.
Griechenland wirft der Türkei vor, Schleuser gewähren zu lassen
Die Übereinkunft solle den 2016 zwischen der EU und der Türkei geschlossenen Flüchtlingspakt ergänzen und seine Umsetzung verbessern, heißt es in Athen. In der damals geschlossenen Vereinbarung verpflichtete sich Ankara unter anderem, die Schleusungen von der Türkei nach Griechenland zu unterbinden und irregulär eingereiste Migranten zurückzunehmen. Im Gegenzug versprach die EU Milliardenhilfen für die Versorgung syrischer Flüchtlinge in der Türkei. Griechenland wirft der Türkei vor, dass sie, entgegen ihrer Zusage, die Schleuser gewähren lässt und praktisch keine Migranten zurücknimmt.
Allein seit dem 1. September kamen 7200 Menschen ohne Reisedokumente aus der Türkei zu den griechischen Inseln. In Athen rechnet man mit einem weiteren Anstieg. Denn die Migranten kommen in der Türkei zunehmend unter Druck. Das Land beherbergt über vier Millionen Kriegsflüchtlinge und Armutsmigranten. Das führt zu sozialen Spannungen. Viele Einheimische sehen in den Migranten unwillkommene Konkurrenten im Kampf um Arbeitsplätze, Wohnraum und Sozialleistungen.
Syrische Flüchtlinge fürchten die Abschiebung nach Nordsyrien
Syrische Flüchtlinge fürchten, dass sie gegen ihren Willen nach Nordsyrien abgeschoben werden. Überdies wird das Leben in der Türkei für sie wegen der hohen Inflation immer unerschwinglicher. In Athen erwartet man, dass die Angst vor drohender Deportation und die wachsende Not den Migrationsdruck in Richtung Griechenland und Westeuropa in den nächsten Monaten weiter erhöhen wird.