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Teheran
Menschenrechtler: Iranische Mullahs vergiften junge Mädchen
An Mädchenschulen sind hunderte Fälle ungeklärter Vergiftungen gemeldet worden. Die iranische Regierung bleibt merkwürdig untätig. Was steckt hinter den mutmaßlichen Angriffen?
Iran feiert 38. Jahrestag der islamischen Revolution       -  Iranische Schülerinnen wurden offenbar gezielt mit Gas vergiftet.
Foto: Ebrahim Noroozi, dpa | Iranische Schülerinnen wurden offenbar gezielt mit Gas vergiftet.
Thomas Seibert
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:00 Uhr

Schülerinnen ringen um Luft und fallen in Ohnmacht, verzweifelte Eltern holen ihre Kinder aus der Schule und bringen sie ins Krankenhaus: Im Iran haben Unbekannte eine Anschlagswelle mit Giftgas auf Mädchenschulen im ganzen Land gestartet und nach Angaben von Menschenrechtlern mindestens ein Kind getötet und hunderte weitere Mittel- und Oberschülerinnen verletzt. Experten sehen staatliche Kräfte hinter den Anschlägen. Mädchen und junge Frauen sollen demnach eingeschüchtert werden, um sie von den Protesten gegen die Regierung fernzuhalten, die seit fast einem halben Jahr die Islamische Republik erschüttern.

Die Menschenrechtsorganisation CHRI, die von New York aus den Iran beobachtet, zählte bis Ende Februar etwa 400 Opfer der Giftgas-Angriffe an mehreren Dutzend Schulen in verschiedenen Landesteilen. Andere Schätzungen setzen die Zahl der Opfer mit mehr als tausend an. Zu den Symptomen zählen Übelkeit und Kopfschmerzen. Opfer berichteten CHRI zufolge, es habe in ihren Klassenzimmern plötzlich nach Mandarinen oder starken Putzmitteln gerochen. In einem Fall sollen Männer beobachtet worden sein, die Gaskanister in ein Schulgebäude warfen.

Was steckt hinter den Vergiftungsfällen an Mädchen im Iran?

Erste Berichte über die Gasangriffe waren im November aufgetaucht. Die Regierung tat die Meldungen zunächst als Gerüchte ab und erklärte die Symptome mit Erkrankungen der Schülerinnen. Inzwischen sprechen einige Regierungspolitiker von gezielten Anschlägen. "Manche Leute wollen, dass die Schulen geschlossen werden, vor allem die Mädchenschulen", sagte der stellvertretende Bildungsminister Younes Panahi.

Die Islamische Republik, die über einen hochgerüsteten Sicherheitsapparat verfügt, bleibt merkwürdig untätig. Bisher gibt es keine Verhaftungen. Gesundheitsminister Bahram Einollahi deutete an, dass er sich aus der Sache heraushalten will, obwohl er der zuständige Ressortchef ist. Es sei nicht seine Aufgabe, herauszufinden, wo das "milde Gas" herkomme, sagte er.

Hintergründe der Gift-Angriffe deuten auf staatliche Experten hin

Solche Äußerungen stärken den Verdacht, dass der Staat selbst für die Giftgasangriffe verantwortlich ist. Der türkische Iran-Experte Arif Keskin wies im Gespräch mit unserer Zeitung auf die hohe Zahl der Anschläge und die Verbreitung im ganzen Land hin. "Es gibt im Iran keine außerstaatliche Gruppe, die so etwas organisieren könnte. Das müssen also staatliche Gruppen oder Gruppen mit staatlicher Unterstützung sein", sagte er. Auch die Art und Weise der Anschläge deuten nach Keskins Einschätzung darauf hin, dass staatliche Experten am Werk sind. "Die Gasmengen werden genau dosiert."

Dass Mädchenschulen angegriffen werden, hat nach Ansicht von Beobachtern mit der Rolle von Mädchen und jungen Frauen in der Protestbewegung zu tun. Frauen, die gegen den Kopftuchzwang und für mehr Demokratie auf die Straße gehen, bilden den Kern der Bewegung. Viele Schülerinnen beteiligen sich an den Protesten, indem sie sich ohne Kopftuch in ihrem Klassenzimmer fotografieren. Nach einem Abflauen der Protestkundgebungen im Dezember nehmen die Demonstrationen seit einiger Zeit wieder zu.

Junge Iranerinnen seien die Anführerinnen bei den Protesten, kommentierte die Iran-Expertin Holly Dagres von der US-Denkfabrik Atlantic Council auf Twitter. "Jetzt werden sie gezielt vergiftet." Auch Keskin vermutet, dass die Mullah-Regierung die Mädchen einschüchtern will. "Ziel ist es, den Schülerinnen Angst einzujagen", sagte er. "Wir haben bei den Protesten gesehen, dass Universitätsstudentinnen, aber auch Mittel- und Oberschülerinnen keine Angst haben. Sie könnten bald wieder auf die Straße gehen." Der Staat wolle das verhindern, indem er die Gasangriffe als Warnung an die Mädchen und ihre Eltern einsetze.

 
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