zurück
Medizin
Droht den Kinderintensivstationen wieder ein Kollaps?
Im vergangenen Winter konnten viele Kinderintensivstationen keine Patienten mehr aufnehmen. Diesen Winter könnte es ähnlich kommen werden. Was hilft?
Kinderklinik.jpeg       -  Eine schwere RSV-Welle brachte im vergangenen Winter viele Kleinkinder auf die Intensivstation. Das könnte sich wiederholen.
Foto: Marijan Murat, dpa | Eine schwere RSV-Welle brachte im vergangenen Winter viele Kleinkinder auf die Intensivstation. Das könnte sich wiederholen.
Christina Heller-Beschnitt
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:56 Uhr

Eltern ist der vergangene Winter noch präsent: Die Kinderintensivstationen waren überlastet, schwer kranke Kinder mussten hunderte Kilometer durch Bayern transportiert werden. In den Praxen ächzten Kinderärztinnen und -ärzte unter der Patientenflut, in Notaufnahmen warteten Eltern und Kinder teils stundenlang. Die medizinische Versorgung für Kinder war kurz vor dem Zusammenbruch. Diesen Winter könnte es ähnlich kommen, sagt Florian Hoffmann. Er ist Kindernotarzt, Kinderintensivmediziner in München und Präsident der deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi).

Bei zwölf Kinderkliniken in Bayern steht die Intensiv-Ampel derzeit auf Rot

"Wir steuern ungebremst auf die nächste Katastrophe zu", sagt Hoffmann. Schon jetzt, während des Sommers, seien viele Kinderintensivstationenüberlastet. Ein Blick ins Intensivregister zeigt, dass die Ampel bei derzeit zwölf bayerischen Kinderkliniken von Aschaffenburgüber München und Memmingen nach Passau auf Rot steht. Heißt: Nach Einschätzung der dort arbeitenden Ärztinnen können sie keine weiteren Patienten aufnehmen, weil schon jetzt planbare OPs nicht stattfinden, um lebensbedrohlich erkrankte Patienten zu behandeln. Käme im Winter wieder eine Infektwelle, träfe sie die Kinderintensivstationen hart, sagt Hoffmann. "Eltern werden wieder tagelang in Notaufnahmen schlafen müssen und ihre Kinder weite Wege in Kauf nehmen, um ein freies Bett zu finden."

Im vergangenen Winter war die Lage so dramatisch, weil viele Kleinkinder schwer am RS-Virus – einer Atemwegsinfektion – erkrankten, dazu kamen erst eine starke Grippewelle und später viele Streptokokken-Infektionen. "Es gibt Vorhersageberechnungen, dass es in der Saison 23/24 zu einer ähnlich großen RSV-Welle kommt", sagt Thomas Völkl, ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Josefinum in Augsburg. Auf der Kinderintensivstation in Memmingen im Allgäu, einem jener Häuser, dessen Ampel auf Rot steht, erinnert sich die stellvertretende leitende Oberärztin der Kinderintensivstation noch eindrücklich an den vergangenen Winter. Kirsten Lang sagt: "Damals sind wir wirklich an unsere Grenzen gestoßen."

Engpass auf Kinderintensivstationen – Hoffmann: Kinder sollen dort behandelt werden, wo sie wohnen

Aber was würde den Medizinerinnen und Medizinern helfen, um besser durch den Winter zu kommen? Im vergangenen Jahr stellte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ihnen 300 Millionen Euro Soforthilfe zur Verfügung. Von diesem Geld sei in den Abteilungen quasi nichts angekommen, sagt Divi-Präsident Florian Hoffmann. In den kommenden beiden Jahren stehen für die Kinder- und Jugendmedizin wieder 300 Millionen Euro bereit, teilt das Gesundheitsministerium mit. Zudem verweist es auf die Krankenhausreform, die für die Kinder- und Jugendmedizin ein zusätzliches Budget vorsehe. "Die nähere Ausgestaltung wird im Rahmen des über den Sommer zu formulierenden Gesetzentwurfs erarbeitet und bleibt abzuwarten", heißt es weiter. Maßnahmen, die Hoffmann begrüßt. Er sagt aber auch: Kurzfristig helfe das nicht. Stattdessen wünscht er sich eine bessere Vernetzung zwischen den Kliniken, um schnell zu sehen, wo noch Kapazitäten frei sind.

Langfristig müsste das Personal aber besser entlohnt und mehr für die Ausbildung getan werden: "Vor allem in Ballungsräumen müssen es sich Pflegekräfte leisten können, dort zu wohnen, wo sie arbeiten", sagt er. Denn es liegt vor allem an den fehlenden Pflegekräften, dass Kliniken nicht mehr Intensivbetten anbieten können. "Aber natürlich wollen wir jedes Kind dort behandeln, wo es wohnt." Sowohl Hoffmann als auch die Memminger Medizinerin Lang schätzen die Lage im kommenden Winter zwar als dramatisch ein, verzweifelt sind sie aber nicht: "Wir werden auch diesen Winter wieder für jedes Kind irgendwo ein freies Bett finden. Aber für Mediziner hinterlässt das kein gutes Gefühl, schwer kranke Kinder zu verlegen."

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Chefärzte
Kinderkliniken
Kinderärzte
Oberärzte
Pflegepersonal
SPD
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen