Wenn Mario Draghi einen Indianer-Namen hätte, dann wäre es wohl "Der-was-auch-immer-nötig-ist-Tuende". Nun ist das Wort Indianer umstritten und der Spitzenökonom entstammt nicht den weiten Prärien der Vereinigten Staaten, sondern der italienischen Hauptstadt Rom. Andererseits aber hat Draghi seinerzeit – 2012 – als Präsident der Europäischen Zentralbank diesen historischen Häuptlingssatz "Whatever it takes" gesagt. Und damit in der Euro-Krise den Börsenspekulationen auf einen Kollaps der europäischen Währung ein Ende bereitet.
So umstritten Draghis Ankündigung war, "unbegrenzt" Staatsanleihen von EU-Krisenländern zu kaufen (um diese flüssig zu halten), so unstrittig ist der "Draghi-Effekt". Denn die Finanzmärkte beruhigten sich nach seinen berühmten, auf der Global Investment Conference im vornehmen Londoner Lancaster House gesprochenen Worten.
Es darf aber als gesichert gelten, dass Draghi handelt
Unstrittig ist auch Draghis wirtschaftlicher Sachverstand, weshalb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für Europa auf einen neuerlichen Draghi-Effekt hofft. Um den Sohn eines hohen Zentralbank-Beamten und einer Apothekerin war es ruhig geworden, nachdem Draghi 2022 als italienischer Ministerpräsident einer in der Corona-Krise nötig gewordenen Allparteienregierung zurückgetreten war. Nun aber machte von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union öffentlich, dass der 76-Jährige als Sonderbeauftragter Europa – eingeklemmt zwischen China und den USA – wettbewerbsfähiger machen soll. Europa werde tun, so von der Leyen, was immer nötig sei …
Nun hat die EU schon viele Sonderbeauftragte kommen und gehen gesehen. Es darf aber als gesichert gelten, dass Draghi den Job nicht nur übernimmt, um einen langen Bericht zu schreiben, der dann Brüsseler Schubladen beschwert. Der Jesuitenschüler, der früh seine Eltern verlor, an der La Sapienza mit Bestnote abschloss und dann mit einem Stipendium ans renommierte Massachusetts Institute of Technology (MIT) ging, ist niemand, der gerne Zeit verschwendet. Draghi ist ein treuer Staatsdiener. Er war unter anderem auch Generaldirektor des italienischen Schatzministeriums und später Chef der italienischen Notenbank. Richtungsweisend für die neue Aufgabe aber ist: Er gilt als überzeugter Europäer, der für eine vertiefte Union steht.