Wenn am Sonntagabend in Bayern und Hessen die Wahllokale schließen, werden Spitzenvertreter der Bundesparteien vor die Öffentlichkeit treten und Kommentare zum Ausgang der Landtagswahlen abgeben. Mäßige und schlechte Ergebnisse spielen sie dabei erfahrungsgemäß herunter. Die Resultate in der Fläche seien eigenständig zu betrachten, so der Tenor. Einerseits stimmt das: Landtagswahlen werden deutlich stärker durch lokale und regionale Themen bestimmt als Bundestagswahlen. Andererseits spielen bundespolitische Entwicklungen, etwa in der Asyl- und Klimapolitik, beim Urnengang durchaus eine Rolle. Außerdem dürfen in Hessen 4,3 Millionen, in Bayern 9,4 Millionen Menschen wählen gehen. Bei deutschlandweit etwa 60,4 Millionen Wahlberechtigen sind die Landtagswahlen damit durchaus ein Stimmungstest für Berlin. Und so könnte die Stimmung in den Parteizentralen am Wahlsonntag aussehen:
Die FDP wird nach den Landtagswahlen wohl nichts zu feiern haben
Die übliche Wahlparty im Hans-Dietrich-Genscher-Haus findet gar nicht erst statt, die FDP weiß, dass es für sie nichts zu feiern gibt. Im Süden ist sie nach dem 8. Oktober womöglich gar nicht mehr im Landtag vertreten. Weiter nördlich könnte es gerade noch so klappen mit dem Wiedereinzug. Der Parteivorsitzende Christian Lindner wird zu denen gehören, die die Landes-Ergebnisse herunterspielen. Er und andere haben sich für den Wahlkampf zwar mächtig ins Zeug gelegt. Doch der Versuch, in Berlin eigenständige Politik in Abgrenzung zu den Koalitionspartnern SPD und Grüne zu machen, verfängt in der Fläche offenbar nicht. Die Bundes-FDP wird so weitermachen wie bisher und hoffen, dass sich das irgendwann auszahlt.
Die SPD schaut bei den Landtagswahlen auch auf andere Parteien
Die Sozialdemokraten verfolgen mit Spannung, ob die FDP wieder in den hessischen Landtag einzieht. Wenn nicht, erspart das Kanzler Olaf Scholz eine Menge Arbeit. Seine SPD-Parteifreundin Nancy Faeser würde gerne in einer Ampelkoalition mit Grünen und FDP Ministerpräsidentin werden. Das setzt den Wiedereinzug der Liberalen voraus. Scholz müsste dann sein Kabinett umbilden und eine neue Innenministerin finden. Danach sieht es im Moment nicht aus, die SPD liegt weit abgeschlagen hinter der CDU. In Bayern deutet sich ein nur einstelliges Resultat an. Nach den 9,7 Prozent bei der Landtagswahl 2018 ist das im Süden immerhin keine Ohrfeige für die Sozialdemokraten. Wie Scholz und die SPD-Vorsitzenden sich nach dem Wahlabend aus der Affäre ziehen werden? Siehe FDP-Chef Lindner.3
Die CDU/CSU blickt eher entspannt auf die Landtagswahlen in Bayern und Hessen
CDU-Chef Friedrich Merz kann sich auf einen entspannten Wahlabend einstellen. In Hessen dürfte seine Partei als Siegerin über die Ziellinie gehen. Den Ausgang in Bayern, wo die CSU gewinnen wird, kann er locker von der Seitenlinie aus kommentieren. Die K-Frage wird am 8. Oktober nicht einmal annähernd entschieden. Es sieht derzeit nicht nach einem Triumphzug für CSU-Chef Markus Söder aus, der ein möglicher Kanzlerkandidat wäre. Merz' Eignung wiederum hat er selbst durch fragwürdige Äußerungen in der Asylpolitik infrage gestellt, dafür braucht es keine Landtagswahlen. Für ihn wird es nun darauf ankommen, wie die Konservativen bei der Europawahl am 9. Juni 2024 abschneiden. Der Sauerländer selbst hat sich beim Amtsantritt auf dieses Datum kapriziert, das weitere politische Sprengkraft beinhaltet: Es finden parallel Kommunalwahlen in neun Bundesländern statt.
Die AfD dürfte Stimmen in Bayern und Hessen hinzugewinnen
Die Alternative für Deutschland dürfte in Hessen und Bayern an Stimmen hinzugewinnen und dafür auch den Bundes-Trend verantwortlich machen. Den Umfragen zufolge könnte sie jeweils sogar zweitstärkste Kraft werden – im Bund ist sie das bereits.
Die Grünen müssen sich auf Verluste einstellen
Geht es nach den Umfragen, werden die Grünen bei beiden Wahlen etwas schlechter abschneiden als 2018. An sich also kein Grund zum Jammern. Das Problem ist bloß: Sie haben ein Selbstbewusstsein entwickelt, in dem Niederlagen keinen Platz haben. Die zu erwartenden Verluste im Land treffen auf Umfragerückschläge im Bund. Ein Rezept hat die Partei nicht. Für sie gilt wie für SPD und FDP: Augen zu und durch.
Die Linkspartei muss um jeden Prozentpunkt zittern
In Bayern wird die Linkspartei erneut nicht in den Landtag einziehen. Sie muss diesmal sogar um einen Ehren-Prozentpunkt zittern. Für Wiesbaden sieht es ebenfalls schlecht aus. Nach 6,3 Prozent im Jahr 2018 droht jetzt das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde. Für die angeschlagene Linke, die durch Parteigründungs-Pläne von Sahra Wagenknecht noch mehr in Schieflage geraten ist, wird es der wohl ungemütlichste Wahlabend werden. Der enorme Macht- und drohende Existenzverlust lässt sich nicht mehr verharmlosen.