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München
Starker Aiwanger, kein AfD-Gegenmittel: Sieben Lehren aus der Landtagswahl
Markus Söder und Hubert Aiwanger können zusammen weitermachen. Einfacher wird's nicht. Auch, weil beide kein Mittel gegen die AfD finden.
Söder und Aiwanger.jpeg       -  Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und sein Vize Hubert Aiwanger.
Foto: Lukas Barth-Tuttas, dpa | Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und sein Vize Hubert Aiwanger.
Michael Stifter
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:19 Uhr

1. Kein "Wind of Change", aber auch wenig Rückenwind

Die CSU unter Ministerpräsident Markus Söder hat das Schlimmste verhindert, die Freien Wähler legten deutlich zu. Keine Spur von Wechselstimmung also in Bayern – trotz der stürmischen Zeiten. Die beiden Regierungsparteien wollten miteinander in ihrer „Bayern-Koalition“ weitermachen, und die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler will das auch. Zur Wahrheit gehört aber: Rückenwind hat das Bündnis nicht gerade bekommen. Söder muss das schlechteste CSU-Ergebnis seit mehr als 70 Jahren verkraften, und Hubert Aiwanger feierte eben nicht den von manchen vorhergesagten Durchmarsch.

2. Die Flugblatt-Affäre hat Hubert Aiwanger geholfen

Die Affäre um ein antisemitisches Flugblatt, das zu Schulzeiten in seiner Tasche gefunden worden war, hätte Aiwangers Karriereende bedeuten können. Stattdessen hat ihm der Skandal unter dem Strich sogar geholfen. Mit dem Rücken zur Wand ging er in die Gegenoffensive, sein Bruder übernahm die Verantwortung für das verstörende Pamphlet und Aiwanger landete mit seiner Erzählung von der vermeintlichen Schmutzkampagne gegen ihn einen Bierzelt-Hit. Viele Wählerinnen und Wähler teilen offenbar seine Haltung, dass man ihn nicht für eine „Jugendsünde“ zur Rechenschaft ziehen sollte – selbst wenn seine politische Einstellung als junger Mann auch im Rückblick fragwürdig erscheint. Seit die Vorwürfe gegen Aiwanger im August publik wurden, sind seine Zustimmungswerte gestiegen. Doch es zeigte sich auch: Nicht alle, die in Umfragen sagten, sie würden Aiwanger wählen, haben das tatsächlich getan. 

3. Markus Söder allein gewinnt keine Wahlen

Bayerns Ministerpräsident hat im Wahlkampf voll auf die eigene persönliche Strahlkraft als Landesvater gesetzt, warb unermüdlich in mehr als 100 Bierzelten und quasi rund um die Uhr in sozialen Netzwerken um Zustimmung. Die CSU hat das mitgetragen, aber nicht allen gefiel diese One-Man-Show. Söder ist konkurrenzlos, in seiner Partei, aber auch in Bayern. Und doch schafft er es nicht auf Zustimmungswerte, wie sie einst Strauß, Stoiber oder Seehofer hatten. Er selbst argumentiert damit, dass sich die Zeiten eben geändert hätten und die Menschen im Land tief verunsichert seien. In Hessen hat Ministerpräsident Boris Rhein allerdings bewiesen, dass man in diesen Zeiten als amtierender Regierungschef durchaus stark zulegen kann. Das Ergebnis der CDU dort rüttelt auch am Alleinstellungsmerkmal der CSU. 

4. In der nächsten Regierung steckt eine Menge Zündstoff

Aiwanger wird mit seinem Wahlergebnis im Rücken selbstbewusst in die Koalitionsverhandlungen gehen. Und auch wenn es Leute im eigenen Lager gab, die unglücklich mit dem breitbeinigen Auftreten des Freie-Wähler-Chefs im Wahlkampf waren, so werden diese jetzt erst recht nicht mehr aus der Deckung kommen. In der CSU wiederum müssen sich all jene, die sich über Aiwangers Umgang mit der Flugblatt-Affäre geärgert haben, nicht länger zusammenreißen. Söders Vize hatte in den vergangenen Wochen fast täglich demonstriert, wie egal ihm der Appell des Ministerpräsidenten, etwas mehr Demut zu zeigen, gewesen ist. CSU-Spitzenleute sagen (noch) hinter vorgehaltener Hand, dass man dem renitenten Koalitionspartner jetzt mal seine Grenzen aufzeigen sollte. In den Verhandlungen zwischen CSU und Freien Wählern wird es atmosphärisch dementsprechend zur Sache gehen. Auf beiden Seiten hat sich eine Menge angestaut. Denn auch Aiwanger selbst, der sich von Söder oft nicht ernst genommen oder sogar bloßgestellt fühlte, hat noch ein paar Rechnungen offen. 

5. Parteien finden im Wahlkampf kein Mittel gegen die AfD

Obwohl in Bayern neben der CSU auch noch die Freien Wähler das Feld rechts der Mitte beackern, ist die AfD der große Sieger der Landtagswahl in Bayern. Damit ist nicht nur Aiwangers (und teilweise auch Söders) Argumentation, man halte Rechtsradikale im Freistaat klein, brutalstmöglich widerlegt. Man muss auch konstatieren, dass die AfD inzwischen ein gefestigtes Stammpublikum hat und es offenbar keine große Rolle spielt, ob man sie im Wahlkampf ignoriert, imitiert oder attackiert. Die hohe Wahlbeteiligung war ebenfalls kein Mittel gegen die AfD, die ersten Erkenntnissen zufolge ihrerseits viele frühere Nichtwähler angesprochen hat. Die Unzufriedenheit, die Wut und die Ängste eines Teils der Bevölkerung sind stärker als Sachargumente oder die Warnungen vor einer Radikalisierung der Gesellschaft. Und zumindest Aiwanger muss sich die Frage gefallen lassen, ob er mit seinem teils populistischen Politikstil richtig liegt – schließlich hat die AfD noch stärker zugelegt als die Freien Wähler.

6. Grün ist nicht mehr die Hoffnung

Die Grünen, 2018 noch der strahlende Sieger in Bayern, hatten schon im Wahlkampf einen schweren Stand, wurden besonders oft angefeindet. Sie werden in Haftung für die bisweilen irrlichternde Ampel-Regierung in Berlin und das vermasselte Heizungsgesetz genommen. Dass Söder eine Koalition mit ihnen quasi als Teufelszeug abtat, nahm ihnen zudem jegliche Option auf die Macht in München. Zwar konnten die Spitzenkandidaten Katharina Schulze und Ludwig Hartmann ihre Verluste im Vergleich zum Rekordergebnis von 2018 halbwegs in Grenzen halten. Doch ihre Rolle als Oppositionsführer sind sie los.

7. Die FDP kämpft ums Überleben

Alle Ampel-Parteien haben am Sonntag verloren. Für die FDP hat das aber die weitreichendsten Folgen. Dass die Liberalen hochkant aus dem Parlament geflogen sind, hat nur bedingt mit Bayern zu tun. Spitzenkandidat Martin Hagen hat sich hier als eine Art seriöser Gegenentwurf zum grassierenden Bierzelt-Politikstil präsentiert. Sein Scheitern reiht sich ein in eine ganze Serie von Niederlagen der FDP bei Landtagswahlen. Dass sich das Desaster schon lange angebahnt hat, trug nicht gerade zur Aktivierung potenzieller Wähler bei. Die Partei steckt in Berlin in einem Dilemma. Die einen kritisieren sie dafür, dass sie als kleinster Partner die Regierung immer wieder ausbremst. Andere werfen ihr vor, dass sie zu viele Ampel-Projekte durchwinkt. Für die FDP geht es – mal wieder – ums politische Überleben. Für Stimmung und Stabilität in der Bundesregierung in den kommenden Monaten verheißt das nichts Gutes. 

 
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