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Den Haag
Krieg in Nahost: Berlin kontert Vorwurf der Beihilfe zum Völkermord
Nicaragua hat gegen Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof geklagt. Berlin bestreitet, durch seine Waffenlieferungen an Israel Mitschuld an einem Genozid im Gazastreifen zu tragen.
Deutschland der Beihilfe zum Völkermord beschuldigt.jpeg       -  Tania von Uslar-Gleichen, Leiterin der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes von Deutschland, bei der Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof. Nicaragua wirft Deutschland den Verstoß gegen die Völkermord-Konvention vor.
Foto: Robin van Lonkhuijsen, ANP, dpa | Tania von Uslar-Gleichen, Leiterin der Rechtsabteilung des Auswärtigen Amtes von Deutschland, bei der Anhörung vor dem Internationalen Gerichtshof.
Simon Kaminski
 |  aktualisiert: 14.04.2024 02:43 Uhr

So hart wie die Vorwürfe Nicaraguas, so klar war am Dienstag auch die Replik der deutschen Seite vor dem Internationalen Gerichtshof im niederländischen Den Haag. Das mittelamerikanische Land hat Deutschland vor dem höchsten UN-Gericht wegen Beihilfe zum Völkermord in Gaza verklagt. „Deutschland verletzt seine Pflicht, Völkermord zu verhindern“, sagte der Botschafter Nicaraguas, Carlos José Arguello Gomez am Montag. Mit seinen Waffenlieferungen an Israel verstoße Berlin gegen internationales Recht. Schließlich würde Deutschland wissen, dass im Gazastreifen „zumindest die Gefahr eines Genozids“ bestehe. „Diese Vorwürfe entbehren jeder rechtlichen und tatsächlichen Grundlage“, sagte die Leiterin der deutschen Delegation, Tania von Uslar-Gleichen, an die Adresse der Kläger. „Deutschlands Handeln in diesem Konflikt wurzelt fest im internationalen Recht“, fügte die Beauftragte für Völkerrecht im Auswärtigen Amt hinzu.

Konkret verhandelt wurde vor den 16 Richtern des Gerichtshofs am Anfang dieser Woche allerdings nicht über den Kern der Klage, sondern über einen Eilantrag Nicaraguas an das Gericht aus 16 Richtern, unverzüglich anzuordnen, dass Berlin jegliche Waffenlieferungen an Israel unterlässt. Eine Entscheidung im Eilverfahren wird für Ende April erwartet. Deutschland hatte 2023 insgesamt Rüstungslieferungen für 326,5 Millionen Euro an Israel genehmigt – zehnmal so viel wie noch 2022. 

Deutsche Delegation: Es werden kaum Waffen geliefert, die in den Kämpfen gegen Hamas eingesetzt werden können

Die deutsche Delegation in Den Haag verweist jedoch darauf, dass es sich bei diesen Lieferungen zum großen Teil um allgemeine Rüstungsgüter und nicht um Waffen handle, die direkt in den Kämpfen gegen die Hamas eingesetzt werden können. Alle Rüstungsexporte nach Israel würden von deutschen Behörden außerdem eingehend geprüft. 

Ein weiterer Punkt des Verfahrens ist, dass Nicaragua erzwingen will, dass Deutschland seine unter dem Eindruck der Massaker vom 7. Oktober durch die Terrorgruppe Hamas und weitere Milizen ausgesetzten Zahlungen an das UN-Palästina-Hilfswerk UNRWA sofort wieder aufnimmt.

In Nicaragua wird die Opposition brutal unterdrückt

Dass ausgerechnet das Regime von Machthaber Daniel Ortega, in dem jegliche Form von Opposition mit brutaler Konsequenz bekämpft wird, Deutschland juristisch attackiert, überrascht nur auf den ersten Blick. Nicaragua hat enge Beziehungen nach Palästina und ist fest eingebunden in eine Phalanx von Staaten, die strikt antiwestlich agieren. Ortega, der seit 17 Jahren als Präsident diktatorisch regiert, versucht sich aus seiner politischen Isolierung nicht nur durch seine traditionell guten Kontakte zu Moskau, sondern auch zu China und den Iran zu lösen.

Das Verfahren gegen Deutschland gilt im internationalen Maßstab allerdings nur als juristischer Nebenkriegsschauplatz. Denn ebenfalls in Den Haag sieht sich das Krieg führende Israel seit Dezember 2023 einer Klage Südafrikas wegen Völkermords ausgesetzt. In diesem Verfahren wird Israel vorgeworfen, durch militärische Gewalt gegen die Zivilbevölkerung im Gazastreifen die UN-Völkermordkonvention zu verletzen. Israel müsste nachgewiesen werden, dass es diesen Krieg in der Absicht führt, die Palästinenser als Volksgruppe ganz oder zum Teil zu vernichten. Die Regierung Netanjahu spricht von ihrem Recht auf Selbstverteidigung nach den Angriffen vom 7. Oktober.

Israel wurde vom Gerichtshof nicht aufgefordert, die Kämpfe sofort einzustellen

Während das Urteil in der Hauptsache noch Jahre in Anspruch nehmen dürfte, gab es im Eilverfahren bereits eine Entscheidung: Danach hat das UN-Gericht dem Eilantrag Südafrikas teilweise stattgegeben: Zwar wurde Israel nicht aufgefordert, den Krieg gegen die Hamas einzustellen – die Richter verpflichteten die Regierung jedoch, Schutzmaßnahmen für die Zivilisten in Gaza zu ergreifen und mehr humanitäre Hilfe zuzulassen. (mit dpa)

 
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