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Berlin
Taurus-Raketen: Olaf Scholz lässt die Ukraine abblitzen
Ein Waffensystem, wie es Großbritannien und Frankreich bereits liefern, hätte den russischen Nachschub treffen können. Doch der Kanzler bremst bei den Taurus-Raketen.
Marschflugkörper Taurus.jpeg       -  Die von der Bundeswehr herausgegebene Aufnahme zeigt einen Kampfjet Tornado IDS ASSTA 3.0, bestückt mit dem Lenkflugkörper Taurus.
Foto: Andrea Bienert, Bundeswehr/dpa | Die von der Bundeswehr herausgegebene Aufnahme zeigt einen Kampfjet Tornado IDS ASSTA 3.0, bestückt mit dem Lenkflugkörper Taurus.
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:20 Uhr

Seit Monaten bittet die Ukraine dringend um die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper. Mit dem Raketensystem könnten weiter entfernte Ziele getroffen werden – etwa auch auf russischem Territorium. Doch nun hat Berlin Kiew offenbar einen Korb gegeben. Mehrere Medien berichten übereinstimmend, dass die Bundesregierung der ukrainischen Seite mitgeteilt hat, dass sie derzeit nicht mit der Flugwaffe rechnen kann. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat demnach konkrete Bedenken, dass mit den deutschen Marschflugkörpern die Kertsch-Brücke zur von Russland besetzten Halbinsel Krim getroffen werden könnte. Aus dem Kanzleramt heißt es dazu, es gebe in der Angelegenheit "keinen neuen Sachstand". 

Gegen den Rat aus dem eigenen Kabinett

Scholz hatte aus seiner ablehnenden Haltung zu möglichen Taurus-Lieferungen in den vergangenen Monaten keinen Hehl gemacht. Dagegen drängten Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), die grüne Außenministerin Annalena Baerbock und Finanzminister Christian Lindner (FDP) Scholz zuletzt mehr oder weniger deutlich dazu, Kiew den dringenden Wunsch zu erfüllen. Die ukrainischen Militärstrategen hoffen, mit dem Waffensystem etwa Munitionsdepots und Nachschublinien auf russisch besetztem Gebiet zerstören zu können. 

In den Reihen der Ampel lösen die Berichte über die angebliche Absage Enttäuschung aus. Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter sagte unserer Redaktion: "Der Kreml hat seine Kriegsziele bisher nicht revidiert. Der russische Außenminister hat zuletzt wieder klargemacht, dass sein Land die gesamte Ukraine besetzen und ein russlandtreues Regime einsetzen will." Russland setze darauf, sich langfristig durchzusetzen, glaubt der Vorsitzende des Europaausschusses des Bundestags. Erst wenn die Führung in Moskau erkenne, "dass sie ihre Ziele nicht erreicht, wird sie zu ernsthaften Verhandlungen bereit sein". Hofreiter: "Deshalb ist es so wichtig, die Ukraine umfangreich zu unterstützen, auch mit Taurus-Marschflugkörpern." Scharf mit Scholz ins Gericht geht Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP): „Trotz gehört in den Kindergarten, nicht ins Kanzleramt.“ Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses weiter: „Fortwährendes Zaudern mit fragwürdigen Argumenten kostet schlichtweg Menschenleben.“

Frankreich und Großbritannien haben Ähnliches geliefert

Im Gegensatz zu Deutschland haben Großbritannien und Frankreich der Ukraine bereits Marschflugkörper geliefert, die mit dem deutschen Taurus-System annähernd identisch sind. Die Begründung, warum Deutschland dem Beispiel nicht folgt, hat Scholz den Berichten zufolge in einer Sitzung des Auswärtigen Ausschusses geliefert. Es geht dabei um das Risiko, dass die Raketen auf russisches Territorium gelenkt werden könnten. Großbritannien und Frankreich, so habe der Bundeskanzler erklärt, könnten etwas, „was wir nicht dürfen”. Damit bezog er sich darauf, dass Großbritannien und Frankreich die Geodaten für die Zielerfassung selbst liefern. Großbritannien ist dafür sogar mit eigenen Leuten in der Ukraine präsent. Mit der Entsendung von Personal aber wäre aus Sicht des Bundeskanzlers offenbar endgültig eine völkerrechtliche Grauzone zu einer Kriegsbeteiligung erreicht. 

Eine offizielle Absage an den ukrainischen Taurus-Wunsch gibt es weiter nicht. Die Bundesregierung behält sich damit also vor, zu einem späteren Zeitpunkt doch noch zu liefern. Zudem sprechen Kiew und Berlin demnach über eine weitere Verstärkung der ukrainischen Luftabwehr – auch mit deutschen Patriot-Raketen. Olaf Scholz hatte frühere Entscheidungen zu Waffenlieferungen an die Ukraine zuvor auch vom Verhalten der USA abhängig gemacht. Die Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 etwa erhielt die Ukraine erst, nachdem die USA auch die Lieferung ihrer Abrams-Panzer ankündigten. Ob Washington seine mit Taurus vergleichbaren ATACMS-Raketen an die Ukraine abgibt, ist noch nicht entschieden. 

Union hofft auf Baerbock und Pistorius

Auch aus der Union kommt scharfe Kritik am inoffiziellen Nein des Kanzlers zur ukrainischen Taurus-Bitte. Florian Hahn, der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Fraktion im Bundestag, sagte unserer Redaktion: "Diese Entscheidung und dieses Zögern sind ein fataler Fehler, sie spielen dem Tyrannen Putin in die Hände, kosten Menschenleben und zeigen auch ganz offen das mangelnde Interesse der Bundesregierung an einem Sieg der Ukraine und der Freiheit." Es entstehe der Eindruck "Wir wollen nicht – auch wenn wir mal könnten", so Hahn weiter. 

Ein solches "verheerendes Signal" müsse verhindert werden. Der CSU-Politiker: "Wo sind der Bundesminister Pistorius und die Außenministerin Baerbock sowie die Lautsprecher der Ampelfraktion im Bundestag, die der Ukraine immer wieder Hoffnungen machen, sie dann aber mit solch einer billigen Ausrede im Stich lassen?" Es bleibe zu hoffen, "dass diese Stimmen der Vernunft den Kanzler noch erreichen". 

 
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