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Berlin
Warum uns das Schicksal der britischen Royals in seinen Bann zieht
Die Krebstragödie im britischen Königshaus bewegt die Deutschen, als handele sich um ihre eigene Herrscherfamilie. Das Interesse speist sich aus der Lust auf Klatsch und der Sehnsucht nach besserer Politik.
Kate, Prinzessin von Wales.jpeg       -  Prinzessin Kate vor der Krönungszeremonie für König Charles III im Mai 2023. Kein ganzes Jahr später sind beide Royals an Krebs erkrankt.
Foto: Andrew Milligan, PA Wire/dpa | Prinzessin Kate vor der Krönungszeremonie für König Charles III im Mai 2023. Kein ganzes Jahr später sind beide Royals an Krebs erkrankt.
Christian Grimm
 |  aktualisiert: 01.04.2024 02:41 Uhr

Prinzessin Kate hat Krebs, King Charles hat Krebs. Die schweren Krankheiten in der britischen Königsfamilie bestimmen seit Tagen die Nachrichtenlage in Deutschland. Weshalb ist das Interesse so groß? Auch wenn das Haus Windsor deutsche Wurzeln hat (früher Sachsen-Gotha), herrscht die Dynastie doch über das Vereinigte Königreich und nicht über Deutschland. Es gibt zwei Erklärungen für das Phänomen, wovon eine evolutionsbiologisch ist und die andere historisch-politisch.

Die erste handelt von Klatsch und Tratsch. Wir Menschen können kaum anders. Ein großer Teil von dem, worüber wir uns täglich unterhalten, dreht sich um das Zwischenmenschliche, mithin das Allzumenschliche. Dem Tratschen schreiben Evolutionsbiologen eine wichtige Bedeutung bei der Entstehung der Sprache zu. Denn Sprechen hält eine Gruppe zusammen und löste – so die Theorie – die gegenseitige Fellpflege der Primaten als Beziehungskitt ab. 

Und warum die Windsors? Weil sie derart prominent sind, dass sie jeder kennt und deshalb eine gute Anschlussmöglichkeit für ein Gespräch besteht – „Hast du schon gehört, die Kate...?"Das Thema ist außerdem konkret und nicht abstrakt-kompliziert, so dass jeder ohne Vorwissen mitreden kann, was wiederum die Chance erhöht, in den Austausch zu kommen.

Der Mensch spricht am liebsten über das Allzumenschliche

Die zweite Erklärung dafür, warum das Schicksal der Royals auf solch enormes Interesse trifft, ist politischer Natur. Die Sehnsucht nach der Monarchie entspringt dem Bedürfnis nach einer anderen Form der Politik. Und zwar Politik in Großbuchstaben. Sie spiegelt sich im Idealbild des Königs von alters her. 

Es ist die Politik eines guten Herrschers, der die Einheit des Volkes und die göttliche Ordnung verkörpert. Es ist die Politik der weisen Beschlüsse, die Gerechtigkeit unter den Menschen schafft. Es ist die Politik des starken Anführers, der die Nation vor inneren und äußeren Feinden beschirmt. 

Nun lehrt die Geschichte, dass bis auf den biblischen König Salomon nur wenige Monarchen dieses Ideal im Lauf der Zeiten erreicht haben. Doch es ist das ziemliche Gegenteil vom Klein-Klein der modernen Demokratie mit ihren Kompromissen, ihren Karrieristen, der Parteitaktik, dem täglichen Gezänk und dem Durchwurschteln. 

Der gerechte Herrscher im Kontrast zum Parteikarrieristen

Das Gegenbild zu dieser Politik in Kleinbuchstaben ist der gute Monarch. Um es mit dem nötigen Glanz zu umfloren, wird enormer Aufwand an Blendwerk betrieben. Krönung und Salbung, der Schimmer des Goldes, der Klang der Glocken und der Aufzug der Ritter (heute Militär). Im Akt der Krönung wird aus dem Menschen, der den Thron besteigt, ein göttliches Wesen. Der Monarch hat somit zwei Körper – einen sterblichen und einen überirdisch-himmlischen, wie es der deutsche Gelehrte Ernst Kantorowicz in seiner wegweisenden historischen Studie über die Doppelnatur der Herrscher beschrieben hat. 

Auch wenn heute niemand mehr in King Charles einen Halbgott erkennen will, schwingt die alte Aufladung bis heute mit. Für eingefleischte Demokraten ist die Sehnsucht nach dem gerechten König eine Kränkung, weil sie ein Ausdruck von Politikverdrossenheit ist. Ein wenig des alten Untertanengeistes steckt also auch in Deutschland in vielen Köpfen. Zwar gibt es hierzulande seit über 100 Jahren kein Königshaus mehr, aber der rasante Aufstieg des Freiherrn Karl-Theodor zu Guttenberg speiste sich genau aus dieser Sehnsucht nach der Politik in Großbuchstaben. 

 
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