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Rom
Papst Franziskus und die Ukraine: Am Tiefpunkt des Irrlichterns
Papst Franziskus rät der von Russland mit einem Vernichtungskrieg überzogenen Ukraine zum Mut, "die weiße Flagge zu schwenken". Nicht nur diese Formulierung lässt einen verärgert zurück.
Papst Franziskus.jpeg       -  Papst Franziskus am Sonntag während des Angelus-Mittagsgebets. Die Kritik an seinen jüngsten Aussagen zum Ukrainekrieg ist riesig.
Foto: Alessandra Tarantino, AP/dpa | Papst Franziskus am Sonntag während des Angelus-Mittagsgebets. Die Kritik an seinen jüngsten Aussagen zum Ukrainekrieg ist riesig.
Daniel Wirsching
 |  aktualisiert: 15.03.2024 02:52 Uhr

Seit zwei Jahren irrlichtert Papst Franziskus, wenn es um den Vernichtungskrieg geht, mit dem Russland die Ukraine überzieht. Nun hat sein Irrlichtern einen Punkt erreicht, der als Tiefpunkt noch milde beschrieben ist. 

Man muss dazu etwas ausführlicher zitieren, was er in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen RSI sagte: Er denke, "dass der stärker ist, der die Situation erkennt, der an das Volk denkt und den Mut hat, die weiße Flagge zu schwenken und zu verhandeln". Und weiter: "Wenn du siehst, dass du besiegt wirst, dass die Dinge nicht gut laufen, habt den Mut, zu verhandeln. Du schämst dich, aber wenn du so weitermachst, wie viele Tote wird es dann geben? Verhandele rechtzeitig, suche ein Land, das vermittelt. Heute, zum Beispiel im Krieg in der Ukraine, gibt es viele, die vermitteln wollen. Die Türkei zum Beispiel … Schämt euch nicht zu verhandeln, bevor es noch schlimmer wird."

"Mut zur weißen Flagge" ist eine Ermutigung für Putin

Es gibt einiges an diesen Sätzen, das einen verärgert zurücklässt, und das ist nicht der Wunsch, dieser Krieg möge endlichen enden, das Morden und Sterben möge endlich aufhören, es möge endlich Verhandlungen geben, einen Vermittler. 

Ärgerlich macht, dass der Papst hier einem von der Auslöschung bedrohten Staat und Volk "den Mut zur weißen Flagge" empfiehlt und dies damit begründet, es sei in dessen Sinne. "Mut zur weißen Flagge" aber bedeutet in der gegenwärtigen Situation nicht allein das Ende der Ukraine, es bedeutet eine Ermutigung für den Aggressor Putin. Er wird nicht haltmachen, hat er erst die Ukraine unterworfen. In dem am 21. Februar in Augsburg vorgestellten "Friedenswort der deutschen Bischöfe" findet sich der Satz: "Das Ziel jedes Militäreinsatzes, sofern er aus christlicher Sicht legitim sein soll, ist nicht der Sieg, sondern ein gerechter Friede." Einen gerechten Frieden haben die Ukrainerinnen und Ukrainer nicht zu erwarten, schwenkten sie jetzt die "weiße Flagge" – und kapitulierten. 

Ärgerlich macht vor allem das Wort "schämen" in den Ausführungen des Papstes. Die Ukrainerinnen und Ukrainer – denen Franziskus mehr oder minder direkt unterstellt, nicht verhandeln zu wollen – "schämen" sich gewiss nicht für einen solchen Weg. Im Duden heißt es übrigens zur Erklärung des Wortes: "sich aus Scham nicht überwinden können, etwas Bestimmtes zu tun". Nein, es ist Putin, der nicht die geringsten Anstalten macht, überhaupt zu Verhandlungen bereit zu sein. 

Wo bleibt Franziskus' Verurteilung Putins als Aggressor?

Noch etwas lässt einen verärgert zurück: Dass sich der Papst an die Ukraine wendet mit seinem Appell. Wo aber bleibt sein Appell an Putin? Wo bleibt seine mehr als überfällige Benennung und Verurteilung Putins als Aggressor? Franziskus wurde oft für seine klaren Worte regelrecht gefeiert, in diesem Falle kommen sie ihm nicht über die Lippen. Wenn er in den vergangenen Jahren des Vernichtungskriegs dafür kritisiert wurde, wurden seine Verteidiger und Erklärer nicht müde zu betonen, so funktioniere nun einmal die vatikanische Diplomatie, der Vatikan müsse sich alle Türen offenhalten. 

Die Realität widerspricht dem in zweifacher Weise. So kämpfte, erstens, Papst Johannes Paul II. mit unmissverständlichen Worten gegen den Kommunismus. Als er 2001 die Ukraine besuchte, sagte er: "Der Kommunismus hat ganze Generationen ausradiert." 2003 warnte Johannes Paul II. wiederholt die USA und ihre "Koalition der Willigen" vor einem Krieg im Irak. 

Zweitens: Papst Franziskus beschädigt höchstselbst die Vatikan-Diplomatie. Die Liste seiner Einlassungen, die den Vatikan und ihn – beispielsweise als Vermittler – diskreditiert haben, ist lang. Franziskus sprach vom "großen Russland", das "so viel Menschlichkeit" habe. Oder vom "Bellen der Nato an der Tür Russlands", als sei die Nato selbst schuld. Später erklärte der Papst, er habe lediglich einen Staatschef zitiert. Auch jetzt ist ein Vatikansprecher um Schadensbegrenzung bemüht. Es ist zu spät. Es ist tragisch.

 
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