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Berlin
Ist Karlsruhe das neue Berlin?
Vor dem Bundesverfassungsgericht landen immer öfter Klagen von Abgeordneten aus dem Bundestag. Die Entwicklung ist bedenklich, könnte jedoch gestoppt werden. 
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Foto: Uwe Anspach, dpa | Immer mehr Klagen aus dem Bundestag erreichen das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
Stefan Lange
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:14 Uhr

Treffen zwischen der Politik und Angehörigen des Bundesverfassungsgerichts sind über die Jahre zu einer festen Tradition geworden. Man ist unter sich und kann ungestört allerlei Themen besprechen. Zuletzt waren dabei, berichten übereinstimmend Teilnehmer aus den Bundestagsfraktionen, durchaus kritische Bemerkungen aus der Richterschaft zu hören. Es gebe immer öfter Klagen der Verfassungsorgane, allen voran des Bundestages, hieß es. Die Beschwerde des CDU-Politikers Thomas Heilmann gegen die Eile beim Gebäudeenergiegesetz ist dabei nur der letzte Akt in einer Reihe von Streitschlichtungen, die nicht mehr im Parlament, sondern in Karlsruhe ausgetragen werden. 

Die Union erweckt gerade den Eindruck einer ausgeprägten Klagefreudigkeit. Heizungsgesetz, Nachtragshaushalt, Wahlrecht, die Ablehnung eines Untersuchungsausschusses zur Affäre um die Warburg-Bank– das sind nur die jüngsten Beispiele. Doch nicht nur CDU und CSU treiben sogenannte Organstreitverfahren voran, die anderen Parteien machen von ihrem Recht ebenfalls fleißig Gebrauch. Immer wiederkehrende Themen: die Rechtsstellung von Fraktionen und Abgeordneten, die Parteienfinanzierung, die Zulässigkeit von Sperrklauseln oder auch die Informationsrechte des Bundestages in EU-Angelegenheiten. Meist begleitet von der Kritik, es gebe viel zu wenig Beratungszeit. Heilmann monierte in diesem Zusammenhang, den Verfahren des Bundestages habe es "schon in der letzten Legislatur an ausreichender Sorgfalt" gemangelt.

Der Bundestag entscheidet zu schnell

Bereits im März hatte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas das Kanzleramt und die Spitzen der drei Koalitionsfraktionen ermahnt, dem Parlament die erforderliche Zeit für die Beratung über Gesetzgebungsverfahren zu geben. Die SPD-Politikerin warnte in einem Brandbrief vor einem Schaden für die Demokratie durch zu viele Eilverfahren, ließ den Worten aber offenbar keine Taten folgen.

Auf die Beratungen im Bundestag lässt sich beispielsweise über die Aufsetzung der Tagesordnung Einfluss nehmen. Ein noch nicht abstimmungsreifes Gesetz taucht dann eben gar nicht erst auf. Bundestagspräsidenten wie Norbert Lammert und Wolfgang Schäuble (beide CDU) waren da Meister ihres Fachs. Daneben haben vor allem die Fraktionsvorsitzenden sowie die parlamentarischen Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Legendär, wegen ihrer Rigorosität teilweise berüchtigt, sind die Amtsführungen von Peter Struck (SPD) und Volker Kauder (CDU). Aktuell vermitteln SPD, Grüne und FDP hingegen den Eindruck, dass kaum jemand Führung übernehmen mag.

Heilmann-Klage noch in der Prüfung

Das Bundesverfassungsgericht muss über Heilmanns Klage im Hauptsacheverfahren noch endgültig entscheiden und will dafür prüfen, ob "sich die durch die Parlamentsmehrheit gewählte Verfahrensgestaltung als eine rechtsmissbräuchliche Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens darstellt". Dass Karlsruheüberhaupt nur diesen Verdacht äußert und womöglich die im Oktober anstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen im Blick hat, ist eine schallende Ohrfeige für das Regierungsbündnis. Parlamentarische Verfahren im Bundestag sollten über jeden Verdacht erhaben sein. Anderenfalls leidet das Ansehen in der Bevölkerung und es wird denen Vorschub geleistet, die Politik als große Lüge darstellen. Ausreden gibt es keine. Die nötigen Mittel dazu sind üppig vorhanden. Es fehlen allein Wille und Erfahrung, sie richtig einzusetzen.

 
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