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Kommentar
In Europa hat sich die politische Mitte verschoben
EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen schließt eine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten nicht aus. Die Brandmauer wackelt nicht zuletzt aus strategischen Gründen.
Ursula von der Leyen.jpeg       -  EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schließt eine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten nicht aus.
Foto: Jessica Lichetzki, dpa | EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schließt eine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten nicht aus.
Katrin Pribyl
 |  aktualisiert: 11.05.2024 02:43 Uhr

Am Tag danach lobten ihre Anhänger den Auftritt von Ursula von der Leyen bei der ersten TV-Debatte im Europawahlkampf als äußerst geglückt. Das lag vor allem an schwachen Mitstreitern wie Nicolas Schmit von Europas Sozialdemokraten und Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP. Der eine kaum sichtbar und angriffslos, die andere fahrig und fehlerhaft – für die CDU-Politikerin hätte es fast nicht besser laufen können. Es sieht ganz danach aus, als ob am Ende nur Ursula von der Leyen Ursula von der Leyen schlagen könnte.

Eine offene Flanke bot sie ihren Gegnern dennoch. So schloss sie eine Zusammenarbeit mit der teils rechtspopulistischen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), zu der die postfaschistischen Fratelli d‘Italia der italienischen Premierministerin Giorgia Meloni zählen, nicht aus. Mit solchen Flirt-Versuchen wackelt die Brandbauer gegen Rechts noch ein bisschen stärker, auch wenn von der Leyens Strategie aus machtpolitischer Sicht Sinn ergibt. 

Credo von Franz Josef Strauß hat auf EU-Ebene ausgedient

Denn um an der Spitze der Brüsseler Behörde zu bleiben, braucht die Deutsche die Unterstützung der 27 Staats- und Regierungschefs wie auch eine Mehrheit im EU-Parlament. Für beides dürfte Meloni eine Schlüsselfigur sein. Ein Tabu ist die Kooperation mit ihr ohnehin nicht mehr. Die Chefin einer Partei mit ausgewiesenen Mussolini-Verehrern wird in Brüssel längst als konstruktive Akteurin und pragmatische Staatsfrau gepriesen, was auch zeigt: Die alte Mitte, sie ist nicht mehr. Durch die Erfolge der Rechten in zahlreichen Ländern fand eine Normalisierung von früher nicht salonfähigen Positionen statt. 

Das Konzept von Franz Josef Strauß, dass es rechts von der CDU/CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, hat zumindest auf EU-Ebene ausgedient. Mittlerweile reicht es für die Europäische Volkspartei (EVP), wenn potenzielle Partner eine pro-europäische, pro-ukrainische und pro-rechtsstaatliche Haltung einnehmen. Das Problem: Die Kriterien erfüllen zunehmend auch die Rechten. Sie werden damit als Reaktion auf die veränderte politische Lage zum Mainstream – mit freundlicher Unterstützung von Ursula von der Leyen.

 
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