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Kommentar
In den Bauernprotesten steckt eine große Chance
Der Streit um den Agrardiesel steckt in einer Sackgasse. Dabei wird die Debatte um die Probleme der Landwirtschaft viel zu verkürzt geführt. Auch die Verbraucher sind endlich gefordert.
Bauernproteste Augsburg Land / Sonderseite.jpeg       -  Landauf, landab protestieren die Bauern gegen die Kürzungspläne der Ampel.
Foto: Marcus Merk | Landauf, landab protestieren die Bauern gegen die Kürzungspläne der Ampel.
Sonja Dürr
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:24 Uhr

Nie war der Unterschied zwischen dem, was Landwirtschaft gerne wäre, und dem, wie die Lage tatsächlich ist, größer. Auf der Grünen Woche, der weltgrößten Agrarmesse, die in Berlin beginnt, gibt es regionale Spezialitäten zu probieren, lassen sich große Tiere bestaunen und kleine streicheln. Die Realität in der deutschen Landwirtschaft aber ist eine andere. Erst recht, seit der Streit um die geplanten Agrardiesel-Kürzungen Zehntausende Bauern auf die Straßen getrieben hat. Seit sie ihre Wut über eine verkorkste Haushaltspolitik der Regierung, über steigende Auflagen und überbordende Bürokratie kundtun.

Der Streit um die Steuervergünstigung ist in eine Sackgasse geraten. Und er lenkt davon ab, dass die Debatte um die Probleme der Bauern viel zu verkürzt geführt wird. Natürlich sind die Landwirte sauer, dass sie in einer Zeit, in der es für viele Betriebe ohnehin immer enger wird, ein paar tausend Euro opfern sollen. Doch zur Wahrheit gehört auch: Den Berg an Problemen, auf dem die Branche sitzt, hat nicht allein die Ampelregierung in zwei Jahren angehäuft. Das gilt etwa für die verschärften Düngeauflagen, die die Regierung Merkel auf den Weg brachte, nachdem Deutschland über Jahre zu hohe Nitratwerte nach Brüssel gemeldet hatte. Und ein Großteil der immer komplexeren Auflagen, mit denen die Landwirtschaft kämpft, ist an die Direktzahlungen der EU gekoppelt.

Die Preise diktieren in der Landwirtschaft andere

Was die Bauern frustriert, ist nicht nur eine Politik, die ihnen immer mehr aufbürdet, sondern das enge Korsett, in das sie geschnürt werden. Der ökonomische Druck, unter dem die Landwirte arbeiten, wird immer größer – darüber können auch zwei umsatzstarke Ausnahmejahre nicht hinwegtäuschen. Maschinen, Dünger und Energie werden teurer, das Land, mit dem die Bauern wirtschaften, vielerorts zum umkämpften Gut. Gestiegene Produktionskosten können die Landwirte nicht einfach weitergeben, genauso wenig wie sie in schlechten Erntejahren mehr für ihr Getreide verlangen können. Die Preise diktieren andere – der Welthandel, der übermächtige Lebensmitteleinzelhandel, die Molkereien und Schlachthöfe. 

Andererseits steckt in diesen Bauernprotesten auch eine Chance – vorausgesetzt, sie laufen friedlich ab, vorausgesetzt, sie grenzen sich eindeutig von Extremisten ab. Denn noch nie haben die Bauern im Land so geeint für ihre Sache gekämpft, noch nie war der Zusammenhalt zwischen großen wie kleinen, konventionell wie ökologisch wirtschaftenden Betrieben so groß. Und wohl noch nie haben die Landwirte so viel Zustimmung für ihren Protest erfahren. Doch es genügt nicht, wenn Bürgerinnen und Bürger den Daumen nach oben recken, sobald ein Traktor vorbeifährt. Wem es darum geht, dass die Landwirtschaft mehr Chancen bekommt, muss bei sich selbst anfangen und das eigene Einkaufsverhalten hinterfragen. Wie kann es sein, dass Verbraucherinnen und Verbraucher sich in Umfragen gebetsmühlenartig mehr Tierschutz und Tierwohl in den Ställen wünschen – und Produkte mit Tierwohlsiegel kaum Marktanteil haben? Dass Agrarminister Özdemir mit dem "Tierwohlcent" nun ausgerechnet alte Pläne aus der Merkel-Regierung aufwärmt, mag nach einem Treppenwitz klingen. Doch die Pläne sind eine Chance, mehr Tierwohl in deutschen Ställen umzusetzen und auch für die Bauern finanzierbar zu machen. 40 Cent mehr fürs Kilo Fleisch, zwei Cent für den Liter Milch – das klingt nach einem Aufschlag, der für den Großteil der Bürgerinnen und Bürger zu schultern sein sollte. 

 
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