
Halb zog man sie, halb sanken sie hin. Mit der Einigung auf einen Etat für das kommende Jahr haben SPD, Grüne und FDP gerade noch rechtzeitig eine politische Blamage verhindert. Besonders stolz sollten Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner darauf allerdings nicht sein. Im Gegenteil: Für die vergleichsweise überschaubare Summe von 17 Milliarden Euro, die ihnen nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichtes fehlte, haben sie die Koalition an den Rand des Abgrundes geführt. Ob der vorweihnachtliche Betriebsfrieden, den die drei in einer letzten langen Nachtsitzung erzwungen haben, bis weit ins nächste Jahr hinein anhält? Fraglich. Zu groß sind die Fliehkräfte in der Koalition bereits, zu klein die Schnittmengen.
Höhere Steuern sind die Schulden von morgen
Flüchtig betrachtet, wahren alle drei Koalitionäre ihr Gesicht. Die FDP hat die Hand weiter an der Schuldenbremse, die SPD hat ihr Bürgergeld verteidigt – und die von den tiefen Einschnitten in „ihrem“ Klimafonds besonders getroffenen Grünen dürfen für sich zumindest in Anspruch nehmen, umweltschädliche Subventionen geschrumpft sowie eine Kerosinsteuer für innerdeutsche Flüge und einen höheren CO2-Preis durchgesetzt zu haben, der das Tanken und Heizen mit Öl oder Gas verteuert. Unter anderen Umständen, in einer anderen Zeit wäre eine solche Einigung schnell als einer der typischen Formelkompromisse abgehakt, ohne die Politik nicht funktioniert. Hauptsache, das Thema ist vom Tisch. Unter dem Eindruck des Karlsruher Urteils allerdings hätte die Koalition eigentlich mehr liefern müssen – mehr Mut zur Sparsamkeit, mehr Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik und damit auch mehr Generationengerechtigkeit. Höhere Steuern, wie SPD und Grüne sie noch immer fordern, sind schließlich die Schulden von morgen.
So gesehen ist das Festhalten an der Schuldenbremse die zweifelsohne größte Leistung des Ampel-Triumvirats. Hier hat die FDP sich durchgesetzt, wenn auch nur vorübergehend. Sollten der Krieg in der Ukraine und die schwindende Unterstützung in anderen Ländern Hilfen über das bisher versprochene Maß hinaus verlangen, wird die Koalition nicht an anderer Stelle sparen, sondern schnell die Karte mit der Notlage ziehen, die ihr die Aufnahme weiterer Kredite erlaubt. Der Rest ist viel politisches Kleinklein mit vielen einzelnen Sparmaßnahmen – und zu einem guten Stück auch Politik nach dem Prinzip Hoffnung. Einen Teil der Milliardenlücke versuchen SPD, Grüne und FDP ja mit höheren Erlösen aus der Privatisierung von Bundesbeteiligungen und der schnelleren Vermittlung ukrainischer Flüchtlinge in Arbeit zu schließen. Das kann funktionieren, muss es aber nicht.
Die Ampel verstößt gegen ihre eigenen Ansprüche
Abgerechnet wird ohnehin erst am Schluss, das heißt: bei der nächsten Bundestagswahl. Angetreten ist die Ampel vor zwei Jahren mit dem Anspruch, sich nicht im Parteien-Kleinklein zu verlieren und mehr Fortschritt zu wagen. Nach zwei Jahren allerdings dominiert auch bei Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen genau das parteipolitische Denken, dessen höchste Kunstform ein Formelkompromiss wie der aus der Nacht zum Mittwoch ist. Motto: Bis hierher und nicht weiter. So kann man sich durch den Rest der Wahlperiode hangeln. Mehr aber auch nicht.