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Augsburg
Die Inflation spaltet das Land weiter
Um 41 Cent soll der Mindestlohn erhöht werden. Das wird die Abstiegsängste von Millionen nicht lindern. Im Gegenteil. Für die politische Stabilität in diesem Land ist das Gift.
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Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa-Zentralbild, dpa (Symbolbild) | Die Löhne in Deutschland steigen zwar im Schnitt - doch die Inflation frisst das Plus auf.
Stefan Küpper
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:18 Uhr

Was passieren kann, wenn sich viele Menschen dauerhaft abgehängt fühlen, war gerade in den französischen Randale-Nächten zu besichtigen. Oder, anderes verstörendes Beispiel, im thüringischen Landkreis Sonneberg. Da haben zuletzt sehr viele Bürger gemeint, sie müssten den AfD-Kandidaten zum Landrat wählen. Nun ist diese Partei alles Mögliche, allerdings sicher keine Alternative für irgendwas. Aber: 44 Prozent, Rekordwert in Deutschland, arbeiten in diesem Landkreis zum Mindestlohn. Ein Zufall? Vielleicht eher nicht.

Warum die Mindestlohn-Erhöhung von 41 Cent nicht gut ist

Die Debatte zum Mindestlohn läuft. Mal wieder. Warum? Die dafür zuständige unabhängige Kommission hat – gegen den erklärten Willen der Arbeitnehmerseite in dem Gremium – beschlossen, dass er zum nächsten Jahr auf 12,41 Euro angehoben wird. 2025 kommen dann weitere 41 Cent oben drauf. Das entspricht einer Steigerung von 3,4 beziehungsweise 3,3 Prozent. Zur Einordnung: Die Verbraucherpreise waren im Juni gegenüber dem Vorjahresmonat um 6,4 Prozent gestiegen. Im Mai lag die Teuerungsrate bei 6,1 Prozent. Hinzu kommt: Die Inflation trifft die am härtesten, die am wenigsten verdienen, weil sie einen größeren Teil ihres Einkommens für besonders teuer gewordene Güter wie Lebensmittel ausgeben müssen. 

In dieser Gemengelage muss sich nun die Ampel-Regierung verhalten, die einen sozialdemokratischen Kanzler hat, der sehr oft von Respekt redet. Und weil dazu im Arbeitsverhältnis eine auskömmliche Vergütung gehört, hat SPD-Parteichef Lars Klingbeil schon angekündigt, dass Deutschland im nächsten Jahr die europäische Mindestlohnrichtlinie umsetzen will. Käme es so, könnte dieser Experten zufolge auf 13,50 bis 14 Euro steigen. Die FDP, Überraschung, ist dagegen

Mindestlohn-Erhöhung per Gesetz: Tarifautonomie ist ein hohes Gut

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ist es auch. Sie warnen vor weiteren außerplanmäßigen Mindestlohnerhöhungen und haben damit – zumal in Rezessionszeiten – einen Punkt. Es gibt durchaus Firmen, wo Mindestlohnsteigerungen ins Kontor schlagen. Im Oktober 2022 hatte die Ampel außerplanmäßig per Gesetz auf 12 Euro erhöht. Das kann man machen – aber nicht regelmäßig. Denn dann könnte man irgendwann auch einfach die Mindestlohnkommission abschaffen - und die Tarifautonomie gleich mit. 

Trotzdem: Zum einen gibt es auch Firmen, die gerade schöne Gewinne erwirtschaften. Und wenn man zudem als 12,41-Euro-Verdiener sieht, was für Lohnsteigerungen während der jüngsten Tarifkonflikte in vielen anderen Branchen gerade ausgehandelt wurden, wirken 41 Cent nicht gerade wie ein Wumms für die soziale Mobilität in diesem Land. Wer sich abgehängt fühlt, wird sich durch diesen Reallohnverlust in seiner Lage bestätigt sehen. Noch ein Argument für die Spaltungsthese mit ihren nicht zu unterschätzenden politischen Implikationen: Die Tafeln machen gerade mobil. Warum? Es kommen immer mehr Bedürftige, weil sie sich offensichtlich kein Essen mehr leisten können. Zugleich gehen die Spenden zurück. 

Jenseits der reinen Existenzsicherung (Nahrung!) ist es aber wichtig, dass ein Wirtschaftssystem vielen den Aufstieg ermöglicht. Nicht nur in den USA haben sich die Vermögensverhältnisse aber sehr einseitig zugunsten der Vermögenden verfestigt. Auch im Deutschland der zurecht gepriesenen sozialen Marktwirtschaft glauben immer weniger daran. Für die politische Stabilität dieser Demokratie – siehe Sonneberg– ist das Gift. 

 
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