Der schöne Schein täuscht. Selbst wenn die Inflationsrate jetzt unter die Drei-Prozent-Marke gefallen ist, der niedrigsten Stand seit zweieinhalb Jahren in Deutschland, müssen viele Haushalte weiter mit spitzem Stift rechnen. Für die meisten Lebensmittel etwa steigen die Preise noch immer überdurchschnittlich stark – und auch die zuletzt wieder etwas erträglicher gewordenen Kosten für Energie dürften schon bald wieder anziehen. Die ersten großen Stromversorger haben für April bereits Preiserhöhungen von teilweise mehr als zehn Prozent angekündigt, nachdem die Ampelkoalition unter dem Druck des Karlsruher Haushaltsurteiles den Konzernen einen schon sicher geglaubten Zuschuss von mehr als fünf Milliarden Euro zu den Netzentgelten wieder gestrichen hat. Von den weiter steigenden Mieten, die die Preise ebenfalls treiben, gar nicht zu reden. Zum Richtwert der Europäischen Zentralbank, einer Inflation von etwa zwei Prozent, ist der Weg also noch weit. Erst dann wäre so etwas wie eine relative Preisstabilität erreicht.
Eine zu frühe und zu starke Zinssenkung wäre riskant
Ein Blick auf die sogenannte Kerninflation, aus der die schwankungsanfälligen Preise für Energie und Lebensmittel herausgerechnet werden und die viele Ökonomen für die deutlich aussagefähigere Größe halten, bestätigt das. Sie ist im Januar nur um magere 0,1 Prozentpunkte auf immer noch 3,4 Prozent gesunken. Ob die Europäische Zentralbank damit schon im Frühsommer die Zinsen senken kann, wie ihre Präsidentin Christine Lagarde es Anfang des Jahres beim Weltwirtschaftsforum in Davos angedeutet hat? Unklar, wenn nicht gar fraglich. So sehr die europäische Wirtschaft oder viele potenzielle Bauherren in Deutschland jetzt auf günstigeres Geld hoffen, so riskant wäre eine zu frühe und zu starke Zinssenkung. Damit würde die europäische Notenbank dem gierigen Biest Inflation nur neues Futter geben.