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Berlin
Die Grünen haben sich vor allem selbst in den Schatten manövriert
An ihrer tiefen Krise ist die Ökopartei selbst schuld. In der heftigen Migrationsdebatte beweist sie am Ende Beweglichkeit.
Bundesparteitag.jpeg       -  Delegiere stimmen beim Bundesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen für einen Änderungsantrag.
Foto: Kay Nietfeld, dpa | Delegiere stimmen beim Bundesparteitag von Bündnis 90/Die Grünen für einen Änderungsantrag.
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:52 Uhr

Eben erst standen sie als die politischen Lieblinge der Nation im gleißenden Sonnenlicht, ohne sie schien in Bund und Ländern keine Koalition mehr möglich. Jetzt wirken sie wie Schattengewächse, um die mögliche Bündnispartner einen Bogen machen und denen nur noch die alten Kernwähler die Treue halten: Die Grünen stecken in einer finsteren Gasse fest und suchen verzweifelt den Weg hinaus. Beim Parteitag in Karlsruhe schwang in vielen Reden auf dem Podium und zahlreichen Gesprächen am Rande bitterer Frust mit. Tenor: Gerade fanden uns doch noch alle gut, selbst die Konkurrenz wollte sein wie wir, der Klimaschutz war wichtiger als alles andere, sogar eine grüne Kanzlerin schien möglich. 

Weil die Grünen stärker noch als andere Parteien überzeugt sind, moralisch stets auf der hellen Seite zu stehen, wird die Schuld fast ausschließlich bei den politischen Gegnern gesucht, die, so die Opfer-Erzählung, mit miesen Kampagnen und rechten Narrativen die alternativlosen Weltrettungspläne torpedieren. Natürlich gibt es hässliche Angriffe, die unter die Gürtellinie zielen. Doch die treffen nicht nur die Grünen, die ihrerseits auch gern mit der ganz großen Moralkeule austeilen. Es ist nicht nur der fiese Feind, der die Zukunft der Ökopartei verdunkelt. Diese hat sich vor allem selbst in den Schatten manövriert.

Die Misere liegt an eigenen Fehlern

In der Ampelkoalition haben die Grünen gravierende Fehler gemacht, sogar wohlmeinende Anhänger vor den Kopf gestoßen. Der erste Versuch ihres zeitweiligen Superstars Robert Habeck, in deutschen Heizungskellern das Weltklima zu retten, ging gewaltig schief. Und ja, es waren Union, FDP und SPD, die den Ausbau der Erneuerbaren verschleppt, sich noch dazu von russischem Gas und Öl abhängig gemacht hatten. Doch mit dem Versuch, das jahrzehntelang Versäumte in kürzester Zeit per gesetzgeberischer Brechstange nachzuholen, drohte Habeck weite Teile der Bevölkerung finanziell zu überfordern. Und das noch mitten in einer historischen Gas- und Energiekrise, ausgelöst durch den Ukraine-Krieg. Ausgerechnet da die letzten drei Kernkraftwerke abzuschalten, verstanden außerhalb des Grünen-Kosmos nur wenige. 

Habeck hat seine Fehler unter dem Druck der Kritik korrigiert. Und auch in der aktuell übermächtigen Migrationsdebatte haben sich die Grünen als lernfähig erwiesen. Wenn auch unter lautem Protest aus Teilen der Partei wurde das lähmende Beharren auf Ablehnung jedweder Begrenzung von Zuwanderung überwunden. Dass ungesteuerte Migration die aufnehmenden Kommunen vor gewaltige Probleme stellt und auch den Zusammenhalt in der Bevölkerung gefährdet, dürfen die Grünen nicht ausblenden. Stünden sie weiter als die Bremser da, die nötige Reformen verhindern, gäbe das letztlich der rechtspopulistischen AfD weiteren Auftrieb. 

Wenn es ans Eingemachte geht, gibt es Ärger

Immer in ihrer Geschichte gab es internen Ärger, wenn die Grünen alten ideologischen Ballast über Bord warfen. Als der grüne Außenminister Joschka Fischer den Einsatz deutscher Soldaten im Kosovo-Krieg unterstützte, nannten ihn die Friedensbewegten im eigenen Lager einen Kriegsverbrecher. Heute sind es die Grünen, die besonders vehement Waffenhilfe für die Ukraine fordern – und sich klar an die Seite Israels gegen den Hamas-Terror stellen. Auf dem Parteitag in Karlsruhe haben die Grünen in der hochemotionalen Migrationsdebatte bewiesen, dass sie die vielleicht wichtigste politische Turnübung doch noch nicht verlernt haben: den Sprung über den eigenen Schatten.

 
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