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Kommentar
Die Ampel verbindet nur noch die Angst vor dem Scheitern
Bundeswehr, Rente mit 63, Entwicklungshilfe: Der Haushaltsstreit in der Koalition spitzt sich zu. Wie lange kann das noch gutgehen?
Rudi Wais
 |  aktualisiert: 16.05.2024 02:41 Uhr

Beim Geld hört auch in der Politik die Freundschaft auf. Ob es nun 15, 20 oder 25 Milliarden Euro sind, die den Ampelkoalitionären für das kommende Jahr fehlen, ist dabei noch nicht einmal die entscheidende Frage. Die Auseinandersetzungen um den Verteidigungsetat, die Rente oder die neuen Begehrlichkeiten der Außen- und der Entwicklungsministerin werfen eine viel grundsätzlichere Frage auf: Wie lange geht das noch gut?

Vorgezogene Neuwahlen wären für alle Koalitionäre ein Risiko

Eigentlich kann keine der drei Parteien ein strategisches Interesse daran haben, die Ampel vorzeitig platzen zu lassen, weil sowohl Sozialdemokraten als auch Grüne und Liberale bei einer vorgezogenen Neuwahl schlechter abschneiden würden als bei der letzten Bundestagswahl und die SPD vermutlich das Kanzleramt los wäre. Der Streit um den Haushalt jedoch hat inzwischen eine Sprengkraft bekommen, die allenfalls mit der von Robert Habecks vermurkstem Heizungsgesetz vergleichbar ist. Mit einer Reihe von Nachbesserungen und dem Versprechen, künftig sorgfältiger zu arbeiten, hat die Ampel damals eine größere Eskalation gerade noch vermieden. Im Moment allerdings fehlt es offenbar schon an der Bereitschaft, sich überhaupt noch auf eine gemeinsame Linie zu verständigen. 

Natürlich gehört es zu den Ritualen von Haushaltsverhandlungen, die Herausforderungen für das eigene Ministerium und den sich daraus ableitenden finanziellen Bedarf möglichst dramatisch zu beschreiben, um am Ende noch etwas mehr vom Steuerkuchen abzubekommen als ursprünglich geplant. Die Bitte von Finanzminister Christian Lindner, angesichts der aktuellen Nöte doch in den jeweiligen Ministerien nach Einsparmöglichkeiten zu suchen, mit milliardenschweren Nachforderungen zu kontern, wie es Außenministerin Annalena Baerbock und Entwicklungsministerin Svenja Schulze gerade getan haben: Das ist angesichts der anhaltenden Wirtschaftsflaute und der entsprechend schlechten Kassenlage nicht nur einigermaßen keck. Es ist auch eine Kampfansage an die FDP und ihren Vorsitzenden, die weiter fest auf der Schuldenbremse stehen.

Verteidigungsetat: Gelingt Lindner und Pistorius eine Einigung ?

Verteidigungsminister Boris Pistorius spielt in diesem Polit-Monopoly eine besonders unglückliche Rolle. Dass er mehr Geld braucht und auch bekommen soll, ist angesichts der Zeitläufte unstrittig – aber auch er, eigentlich bekannt als Pragmatiker, lädt den Konflikt mit immer neuen Forderungen weiter auf. Sein Treffen mit Lindner in dieser Woche wird deshalb stilbildend für die Zukunft der Ampel sein. Gelingt es ihnen, einen Kompromiss zu finden, mit dem beide leben können, wird das auch den Einigungsdruck auf die anderen aufsässigen Ministerien erhöhen. Beharrt Pistorius weiter auf einem deutlichen Nachschlag, wird Lindner vielleicht doch die K-Frage stellen müssen. Eine Koalition, die sich nicht auf einen gemeinsamen Finanzrahmen für ihr letztes Regierungsjahr einigen kann, kann das Regieren auch gleich einstellen. Jeder weitere Tag würde das Leiden und den Frust draußen, im Land, nur verlängern. 

Das neue, kooperative Miteinander, das Olaf Scholz, Robert Habeck, Annalena Baerbock und Christian Lindner beim Antritt ihrer sogenannten Fortschrittskoalition versprochen haben, ist längst einem latenten Misstrauen gewichen. Und je näher der nächste reguläre Wahltermin im Herbst 2025 rückt, umso mehr denkt jede Partei wieder an sich anstatt an das gemeinsame Ganze. In gewisser Weise ist das sogar verständlich, in einer derart schwierigen Situation, in der sich Deutschland gerade befindet, aber auch grob fahrlässig, wenn nicht gar verantwortungslos. Aufgabe eines Kanzlers wäre es jetzt, die letzten Kräfte der Koalition zu mobilisieren und den Wählern zu zeigen, dass die Ampel vielleicht doch nicht so schlecht ist wie ihr Ruf. Darauf aber wartet die Republik bisher vergebens. Das einzige, das die Koalition noch verbindet, ist die Angst, krachend zu scheitern. 

 
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