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Kommentar
Der Sozialstaat stößt an seine Grenzen
Gesundheit, Rente, Pflege: Überall ist das Geld knapp. Am Ende werden die Lücken vor allem die Steuer- und Beitragszahler schließen müssen.
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Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa-tmn | Im Alter gut abgesichert? Der Sozialstaat stößt allmählich an seine Grenzen.
Rudi Wais
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:44 Uhr

Behaupte niemand, die Ampel habe kein Herz für die Menschen. 119 Mal haben SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag das Adjektiv „sozial“ verwendet – und mit dem neuen Bürgergeld oder dem auf zwölf Euro angehobenen Mindestlohn auch schon die ersten entsprechenden Gesetze beschlossen. Weit weniger konkret fällt dagegen die Antwort der Bundesregierung auf die Frage aus, wie sie denn den unter permanentem Kostendruck stehenden Sozialstaat in Zukunft finanzieren will. Großer Reformbedarf bei dramatisch eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten: Die Gefahr, dass am Ende die Steuer- und Beitragszahler die Lücken schließen müssen, ist groß. 

Vor allem in der Pflege schießen die Kosten in die Höhe

Mehr als elf Milliarden Euro veranschlagen die Grünen allein für die geplante Grundsicherung für Kinder, in der Pflege schießen die Kosten so steil in die Höhe, dass Gesundheitsminister Karl Lauterbach bereits eine Erhöhung der Beiträge angekündigt hat, dazu noch das notorisch unterfinanzierte Gesundheitswesen und die demografischen Herausforderungen bei der Rente: Die Baustellen in der Sozialpolitik sind so unübersichtlich wie teuer. Auch ohne die gewaltigen Belastungen durch die Pandemie und die Folgen des Ukraine-Krieges wäre der Spielraum für weitere Verbesserungen nicht groß. So aber geht er gegen null. 

Umso wichtiger ist es jetzt, Prioritäten zu setzen. In der Pflege und in der Gesundheitspolitik ist die Not im Moment am größten und nur durch höhere Beiträge oder einen höheren Steuerzuschuss an die Krankenkassen zu lindern. Auf Dauer aber wird das nicht ausreichen und die Politik mehr Eigenverantwortung von den Versicherten einfordern müssen, sei es durch eine verpflichtende (und staatlich geförderte) private Pflegevorsorge, sei es durch Eigenbeteiligungen oder Beitragserstattungen für Patienten, die einen (kleinen) Teil ihrer Behandlungskosten selbst tragen. Gegen die einzige Alternative dazu, eine Bürgerversicherung, in die auch Beamte, Freiberufler und Selbstständige einzahlen, spricht vor allem die Regierungsbeteiligung der FDP, die das strikt ablehnt. 

Was kommt nach der Rente mit 67?

Bei der Rente kann die Politik bis zum Jahr 2031 noch auf Sicht fahren, dann gilt die Rente mit 67 für alle. Danach aber ist eine weitere Anhebung des Rentenalters unausweichlich, zu weit wird das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentnern dann auseinanderklaffen. Mehr Zuwanderung, im politischen Diskurs neuerdings eine Art Allheilmittel gegen alle Beschwerden einer alternden Gesellschaft, sorgt zwar kurzfristig für höhere Beitragseinnahmen. Irgendwann aber werden auch diese Zuwanderer zu Rentnern oder pflegebedürftigen Alten, deren Renten und deren Pflege jemand finanzieren muss. Schon jetzt kommt jeder dritte Euro, den ein Rentner an gesetzlicher Rente bezieht, nicht aus den Beiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, sondern aus dem Steuertopf des Bundes, alles in allem weit über 100 Milliarden Euro pro Jahr. Tendenz: weiter steigend.

Gut ein Drittel des gesamten Steuereinkommens fließt heute im weitesten Sinne ins Soziale - auch deshalb liegt das Niveau der sozialen Absicherung, von der Rente abgesehen, in Deutschland deutlich über dem anderer Industrieländer. Dies zu verteidigen ist bereits eine politische Herkulesaufgabe. Zusätzliche Sozialleistungen wie die elf Milliarden für die Kindergrundsicherung allerdings ließen sich im Moment nur auf Pump finanzieren. Das aber hieße: Die Kinder, deren Familien von einem deutlich höheren Kindergeld für Geringverdiener profitieren würden, zahlen es später selbst über entsprechend höhere Steuern wieder zurück. So werden Probleme nicht gelöst, sondern nur vertagt. 

 
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