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Kommentar
Der Kinderfreibetrag ist kein Steuergeschenk für Reiche – gut, wenn er steigt
Zwölf Prozent mehr Bürgergeld, 14 Prozent mehr Kindergeld – da ist es nur konsequent, wenn jetzt auch der Freibetrag steigt. Ja, er muss es sogar.
Rudi Wais
 |  aktualisiert: 11.03.2024 09:17 Uhr

Um dem Gespenst der Inflation etwas von seinem Schrecken zu nehmen, hat die Ampelkoalition schnell und großzügig gehandelt. Das Bürgergeld ist zum Jahreswechsel ein zweites Mal um zwölf Prozent auf inzwischen 563 Euro gestiegen, das Kindergeld bereits Anfang 2023 um 14 Prozent auf 250 Euro im Monat. Dazu noch der erhöhte Kinderzuschlag für Geringverdiener – es waren die Familien, die es am nötigsten hatten, denen der Sozialstaat damit geholfen hat. Umso grotesker mutet allerdings der Koalitionsstreit um den Kinderfreibetrag an, den Finanzminister Christian Lindner jetzt ebenfalls erhöhen will. Anders als von vielen Sozialdemokraten und Grünen behauptet, handelt es sich dabei nämlich um kein Steuergeschenk für Reiche, sondern um eine gesetzliche Notwendigkeit.

Die Alternative würde der SPD ebenfalls nicht schmecken

Das Bundesverfassungsgericht ließe hier auch einem Finanzminister mit SPD-Parteibuch wenig Spielraum. Es hat die Politik dazu verpflichtet, das Existenzminimum eines jeden Menschen von der Steuer frei zu halten: Was jemand unbedingt zum Leben braucht, darf der Staat nicht antasten. Wenn die Preise so stark steigen wie in den vergangenen Jahren, müssen deshalb auch die Freibeträge für Erwachsene und Kinder entsprechend angehoben werden. Dass jemand, der mehr verdient und mehr Steuern bezahlt, davon stärker profitiert, liegt in der Natur der Sache und ist nichts Anstößiges. Wer Einkommen aus guten Gründen progressiv besteuert, hat im Falle einer Entlastung natürlich ebenfalls eine progressive Wirkung. Das kann man ungerecht finden oder unnötig, im gegenwärtigen System aus Kindergeld und Kinderfreibetrag, bei dem das Finanzamt automatisch prüft, welche Förderung für eine Familie die günstigere ist, gibt es dazu keine Alternative. Verkleinern ließe sich die Diskrepanz allenfalls durch eine Entschärfung der Steuerprogression und eine Senkung des Spitzensteuersatzes. Aber das will die SPD vermutlich noch weniger. 

Olaf Scholz weiß das alles natürlich, er war schließlich selbst schon Finanzminister. Wenn SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich jetzt aber verlangt, mit dem Freibetrag auch das Kindergeld noch einmal zu erhöhen, zieht ausgerechnet er, der sonst so Zurückhaltende, die Populismuskarte. Die Koalition hat das Kindergeld im vergangenen Jahr stärker angehoben als es nötig gewesen wäre, den Freibetrag aber nur um umgerechnet sieben Prozent – also die Hälfte. Nun so zu tun, als schaffe der Finanzminister hier mit kaltem Herzen neue soziale Ungerechtigkeiten, ist deshalb schlicht Unfug. Bisher war es guter Brauch, Kindergeld und Kinderfreibetrag im Gleichschritt zu erhöhen, von dieser bewährten Praxis ist die Ampel in der Krise abgerückt, um Bedürftigen in der Phase der besonders hohen Inflation schneller beistehen zu können. Wenn Lindner jetzt mit dem Freibetrag nachzieht, ist das also nur konsequent.

Auch die Mittelschicht profitiert vom Kinderfreibetrag

Dass von diesem Steuervorteil nur die Gut- und Besserverdiener profitieren, ist ohnehin eine steile These. Abhängig von Kinderzahl und Familiensituation fahren auch schon Familien mit dem Freibetrag besser, in denen die Eltern alles sind, nur keine Spitzenverdiener – Facharbeiter, Angestellte und andere Berufe aus der berühmten Mitte der Gesellschaft. Ein Milieu mithin, das die SPD einmal als das ihre reklamiert hat. Und, nicht zu vergessen: ein Milieu, das mit seinen Steuern den Sozialstaat erst finanziert. Rot-grüne Herzensprojekte wie die geplante Kindergrundsicherung, von der wiederum Familien mit schmalem Budget besonders profitieren sollen, mit eingeschlossen. 

 
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