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Kommentar
Das deutsche Asylrecht: Wenn aus Humanität Naivität wird
Zwischen Asyl- und Einwanderungsrecht: Die deutsche Migrationspolitik verwaltet allenfalls den Status Quo. Die Probleme des Landes löst sie nicht.
Flüchtlingsunterkunft.jpeg       -  Schuhe einer Flüchtlingsfamilie sind in einem Zelt der Flüchtlingsunterkunft vor einer Wohnparzelle abgestellt.
Foto: Arne Dedert, dpa (Archivbild) | Schuhe einer Flüchtlingsfamilie sind in einem Zelt der Flüchtlingsunterkunft vor einer Wohnparzelle abgestellt.
Rudi Wais
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:06 Uhr

Es sind Ärzte, die gehen, Ingenieure, Wissenschaftler oder Informatiker: Etwa 250.000 Deutsche kehren Deutschland jedes Jahr den Rücken, weil sie sich in anderen Ländern ein besseres Leben versprechen. In der Debatte über die Zuwanderung wird dieser Aspekt allerdings gerne unterschlagen. Deutschland ist nicht nur ein Einwanderungsland – es ist auch ein Auswanderungsland. Und die Lücken, die die Abwanderer hinterlassen, können die Zuwanderer nicht annähernd schließen.

In anderen Ländern wird besser bezahlt

Wer soll kommen, wer muss gehen? Dass die Migrationsdebatte, wieder einmal, an einem toten Punkt angekommen ist, hat auch mit der Unfähigkeit der deutschen Politik zu tun, sauber zwischen Asyl- und Einwanderungsrecht zu trennen. So kann im Prinzip jeder kommen und bleiben, anstatt gezielt um indische Programmierer oder albanische Pflegerinnen zu werben – also das Personal, das das Land am Laufen hält. Zu groß sind die Lücken in vielen Branchen inzwischen, zu unattraktiv die Arbeitsplätze (und die Gehälter) vor allem für junge Akademiker.

Um diese Menschen in Deutschland zu halten, unternehmen auch die Ampelparteien nicht viel. Ihre Migrationspolitik funktioniert nach dem Prinzip "von allem etwas". Hier ein paar zaghafte Versuche, ausländische Fachkräfte zu gewinnen, dort die vage Ankündigung, wenigstens einige der 300.000 Menschen ohne Bleiberecht in Deutschland konsequenter abzuschieben. Unterm Strich allerdings verändert sich nichts zum Besseren. Die Zahl der Asylbewerber steigt auf immer besorgniserregendere Höhen, während Unternehmen, Kliniken oder Pflegeheime noch immer über akuten Personalmangel klagen.

Der Migrationsgipfel in der nächsten Woche wird daran nichts ändern. Dort geht es vor allem um die Frage, wer die hohen Kosten für Unterkunft und Betreuung der Flüchtlinge trägt. Innenministerin Nancy Faeser tut zwar so, als stünde eine Einigung auf eine gemeinsame europäische Asylpolitik bevor, die theoretisch auch Deutschland entlasten würde. Tatsächlich jedoch bleibt der Migrationsdruck hoch, zumal die Koalition die Tore ja weiter geöffnet hat. Eine Million ukrainische Flüchtlinge aufzunehmen war ein Gebot der Menschlichkeit. Vielen Erdbebenopfern aus der Türkei aber wäre mit einer beherzten Hilfe vor Ort mehr geholfen als mit dem Angebot, doch nach Deutschland zu kommen.

Schweden hat das Ruder herumgerissen

Andere Länder haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Dänemark zum Beispiel kürzt die Hilfen für Flüchtlinge, um seine Anziehungskraft zu mindern, auch das lange Zeit so liberale offene Schweden hat vor den Verhältnissen kapituliert und unter anderem den Nachzug von Familienangehörigen eingeschränkt. Deutschland dagegen gefällt sich in der Rolle des guten Menschen in Europa, weder steuert es seine Zuwanderung, noch begrenzt es sie – mit dem Ergebnis, dass die Grenzen zwischen Humanität und Naivität allmählich verschwimmen.

Eine offene Gesellschaft zu bleiben, sie aber gleichzeitig nicht zu überfordern: Mit gutem Willen alleine wird das nicht zu erreichen sein. Ohne eine gewisse Konsequenz in der Sache ist auch die liberalste Integrationspolitik zum Scheitern verurteilt. So unverhandelbar das deutsche Asylrecht ist, so klar (und notfalls hart) muss auf der anderen Seite auch der Umgang mit abgelehnten Bewerbern, mit ausländischen Straftätern oder islamistischen Fanatikern geregelt sein. Darum, vor allem, sollte eine Innenministerin sich kümmern, anstatt darauf zu warten, dass EuropaDeutschlands Probleme löst.

 
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