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Berlin
Weniger Treibhausgas – deutsches Klimaziel für 2030 ist in realistischer Nähe
Die neuen Daten sind vielversprechend: Robert Habeck hofft erstmals, den Klimaschutz-Zeitplan einzuhalten. Doch der Erfolg kommt mit Einschränkungen.
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Foto: Britta Pedersen, dpa | Robert Habeck will das Klimaziel 2030 unbedingt einhalten.
Margit Hufnagel
 |  aktualisiert: 21.03.2024 02:56 Uhr

Es kommt nicht häufig vor in diesen Tagen, dass Robert Habeck mit guten Nachrichten an die Öffentlichkeit gehen kann. Aber der Minister, zuständig für Wirtschaft und Klima, hat am Freitag ein ausgedrucktes Schaubild in DIN-A3-Größe mitgebracht, damit auch in der letzten Reihe der Pressekonferenz noch alle sehen konnten: Deutschland kommt der Erfüllung der eigenen Klimaschutzziele einen großen Schritt näher. 

Die Prognosen sind gut, der Ausstoß von Treibhausgas geht deutlich zurück. Die Emissionen sind allein im Jahr 2023 um 10,1 Prozent gesunken – das ist der stärkste Rückgang seit 1990. Das deutsche Klimaziel ist, die Treibhausgasemissionen um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, das gilt Stand heute als machbar. Dirk Messner, der Präsident des Umweltbundesamts, das die Berechnungen durchgeführt hat, spricht deshalb von einer starken Perspektive, betont aber zugleich: „Jetzt müssen wir weiter hart arbeiten.“ 

Das Klimaschutzministerium begründet den Erfolg mit Fortschritten beim Klimaschutz und dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Es werde immer wahrscheinlicher, dass Deutschland sein Ziel schaffen wird, im Jahr 2030 insgesamt 80 Prozent des Stromverbrauchs etwa aus Wind und Sonne abzudecken. Zudem werde Kohle wieder stärker durch das weniger klimaschädliche Gas ersetzt. 

Klimaschutz auf Kosten der Wirtschaft?

Der Erfolg hängt zum einen mit gestiegenen Anstrengungen im Klimaschutz zusammen: Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromproduktion ist laut Experten höher denn je, die Kohleverstromung geht zurück und der Zubau von Fotovoltaikanlagen bricht den bisherigen Rekord aus dem Jahr 2012 gleich um das Doppelte. Besonders beim Thema Fotovoltaik wird offenbar, dass die Politik durchaus Einfluss nehmen kann: Sie verbesserte die politischen und finanziellen Rahmenbedingungen deutlich. „Es zeigt sich, dass Politik wirksam ist“, sagt Katharina Schulze, Fraktionsvorsitzende der bayerischen Grünen, unserer Redaktion. 

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass der starke Rückgang an Treibhausgasen im vergangenen Jahr zugleich mit Produktionsrückgängen in der Industrie zusammenhängt. „So haben die energieintensiven Branchen laut Produktionsindex des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2023 rund zehn Prozent weniger produziert als im Jahr 2022.“ Das räumt auch der Wirtschaftsminister ein. „Wir haben im Jahr 2023 durch die hohen Energiepreise und die Energiekrise nicht ausreichendes Wachstum gehabt“, sagte Habeck. „Deswegen ist das nichts, worauf man wirklich stolz sein kann.“ 

Der deutsche Verkehrssektor verfehlt die Klimaziele

Auch deshalb warnen Experten davor, zu optimistisch in die Zukunft zu blicken. „Der unerwartete Rückgang der Emissionen im Jahr 2023 ist größtenteils nicht nachhaltig und nicht ein Zeichen von erfolgreicher Klimapolitik. Die Erreichung der langfristigen deutschen Klimaziele bleibt gefährdet“, sagt Niklas Höhne, Leiter des „New Climate Institute“ in Köln. Hinzu komme, dass die Fortschritte, die erzielt wurden, sehr ungleich verteilt sind. Die Regierung hat verschiedene Bereiche wie Verkehr, den Gebäudebereich oder Energie in sogenannte Sektoren unterteilt. 

„Nach zwei Jahren Ampelregierung werden die Unterschiede deutlich: Das Grün-geführte Wirtschaftsministerium kann sich den Boom in der Solarbranche und eine deutliche Übererfüllung des Klimaschutzziels gutschreiben“, sagt Höhne. „Das SPD-geführte Bauministerium ist Mittelmaß, das Ziel für den Gebäudesektor wird leicht verfehlt. Und das FDP-geführte Verkehrsministerium ist abgeschlagen, lässt jegliche Ambition vermissen und verfehlt sein Ziel krachend.“ Der Verkehrssektor brauche tiefgreifende Maßnahmen, wenn die Klimaschutzziele erreicht werden sollen. Der Experte warnt eindringlich: „Das Verschleppen von Klimaschutz, insbesondere im Verkehr, wird zukünftige Regierungen, die Bevölkerung und die Wirtschaft vor massive Herausforderungen stellen.“ 

Experten: Schwierige Klimaschutz-Phase erst nach 2030

Auch Katharina Schulze appelliert an das Verkehrsministerium von Volker Wissing, sich „dem Spirit“ der anderen Ampelparteien anzuschließen. Deutschland brauche eine Mobilitätswende, das heiße, in den Städten den öffentlichen Nahverkehr zu stärken und auf dem Land die Ladesäulen-Infrastruktur, damit mehr Menschen zumindest auf E-Autos umsteigen könnten. 

Experten warnen allerdings vor einer anderen Falle: Das Jahr 2030 stelle zwar ein wichtiges Zwischenziel dar, bis 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Die deutlich schwierigere Phase werde nach 2030 kommen. „Hier nimmt die Reduktionsgeschwindigkeit drastisch ab, da mit jetziger Technologie fossile Kraftwerke als Back-up für Zeiten ohne Wind und Sonne vorgehalten werden müssen“, sagt Höhne. „Die letzten fossilen Kraftwerke zu ersetzen ist Neuland und bedarf großer Anstrengungen.“

Der Klimawandel macht dem Wald zu schaffen. Deswegen muss er sich verändern. Im Podcast "Augsburg, meine Stadt" sagt Försterin Eva Ritter, wie unser Wald deswegen in hundert Jahren aussehen wird.

 
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