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Augsburg
Verbote oder Appelle? Wie Klimaschutz gelingen kann
Die Regierung will beim Umweltschutz Ernst machen - und scheitert doch, weil zu viele Bürger nicht mitmachen. Wie kann Politik es schaffen, die Menschen zu einer Änderung ihres Verhaltens zu bewegen?
Fleischersatz oft teurer als Fleisch.jpeg       -  Vegane und vegetarische Fleischersatzprodukte liegen im Trend. Doch reicht der freiwillige Verzicht auf Fleisch aus?
Foto: Andreas Arnold, dpa | Vegane und vegetarische Fleischersatzprodukte liegen im Trend. Doch reicht der freiwillige Verzicht auf Fleisch aus?
Margit Hufnagel
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:57 Uhr

Weniger mit dem Auto fahren, Energie sparen, regionale Produkte konsumieren oder Müll vermeiden: Klimaschutz im Alltag hat viele Aspekte, an denen jeder Einzelne mitwirken kann. Und doch bleibt es häufig beim guten Vorsatz. Die Politik steckt schnell in der Zwickmühle: Soll sie mit Verboten und Pflichten umweltbewusstes Verhalten gezielt steuern und sich damit dem Vorwurf der Verbotspolitik aussetzen? Oder soll sie auf die Einsicht von Verbraucherinnen und Verbrauchern hoffen und damit in Kauf nehmen, dass Veränderungen im Schneckentempo vorangehen? Der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU), ein 1972 gegründetes wissenschaftliches Gremium, das die Regierung berät, hat der Politik in einem Sondergutachten eine klare Handlungsempfehlung an die Hand gegeben: Sie ist es, die das Alltagsleben mit ganz konkreten Vorgaben steuern muss. „Lange Zeit lag der Fokus der Umweltpolitik vor allem auf umweltfreundlichen und effizienten Produktionsprozessen und dem Ausbau erneuerbarer Energien“, stellen die Gutachter fest. „Doch so wichtig diese Bausteine sind, sie reichen nicht aus, um die Überschreitung ökologischer Belastungsgrenzen zu verhindern.“ Neben der Produktionsseite müsse eine erfolgreiche Umweltpolitik auch „das umweltrelevante Verhalten der Bevölkerung“ in den Blick nehmen. 

Doch wie könnte das aussehen? Wie kann die Politik die Gesellschaft dazu bringen, ihr Verhalten zu ändern? Wie können Routinen aufgebrochen werden? Andreas Ernst ist Professor für Umweltpsychologie an der Universität Kassel. Er glaubt: Wer umweltbewusstes Verhalten zur Norm machen will, muss dabei vor allem das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen ansprechen. „Es gibt zahlreiche Situationen, in welchen Verordnungen und Verbote deutlich wirksamer sind als Anreize“, sagt er. Das hat einen einfachen Grund: „Sie stellen sicher, dass sich möglichst alle daran halten.“ Dies sei ein wichtiger psychologischer Faktor: „Nichts ist unangenehmer als der Eindruck, man folge einem umweltfreundlichen Appell oder Anreiz, bleibt damit aber allein auf weiter Flur“, sagt Ernst. Die Frage, ob diese Eingriffe in die individuelle Freiheit zugunsten der Zukunft aller legitim seien, beantwortet er klar: „Ja, sie sind es, denn sie garantieren die Freiheit zukünftiger Generationen. Und nicht nur das: Die Eingriffe sind rechtlich sogar erforderlich, wie das Bundesverfassungsgericht erst 2021 für das Klimaschutzgesetz bestätigte.“

Fleischkonsum in Deutschland ist rückläufig

Wie sehr das eigene Verhalten davon abhängig ist, wie über bestimmte Themen gesprochen wird und welche Informationen zur Verfügung gestellt werden, zeigt das Beispiel Ernährung. Im Jahr 2022 sank der Fleischkonsum in Deutschland auf 52 Kilogramm pro Kopf und Jahr – so wenig, wie seit 30 Jahren nicht mehr. „Der Trend des verringerten Fleischkonsums in Deutschland ist vor allem auf eine Veränderung in der gesellschaftlichen Debatte zurückzuführen“, sagt der Schweizer Klimaforscher Lukas Fesenfeld von der ETH Zürich. Diese habe in den letzten 15 Jahren verstärkt die Vorteile einer pflanzenbetonten Ernährung für Gesundheit, Tierwohl und Umwelt betont. Auch wenn dies ein Trend sei, gebe es bislang wenige Länder, die den Fleischkonsum gezielt staatlich reduziert haben. 

„Um die Klima-, Biodiversitäts- und Gesundheitsrisiken zu mindern, sind solche Maßnahmen jedoch unumgänglich, da der Konsum von Fleisch in wohlhabenden Ländern immer noch deutlich zu hoch liegt“, glaubt Fesenfeld und nennt konkrete Beispiele: Städte wie Kopenhagen, New York, Helsinki, Harleem, Montreal oder Freiburg würden mit Maßnahmen wie einem Klimateller in öffentlichen Kantinen versuchen, den Menschen pflanzliche Ernährung näherzubringen. Studien hätten gezeigt: Wer positive Erfahrungen mit veganen Gerichten gemacht hat, ist eher dazu bereit, auf Fleisch zu verzichten. Andere Staaten wie Dänemark gehen noch einen Schritt weiter: Sie setzen, so Felsenfeld, mit der Einführung staatlicher Förderfonds für pflanzliche Ernährung klare Zeichen. „Um den heimischen Pflanzenbau zu stärken, senkte Lettland 2018 die Mehrwertsteuer auf pflanzliche Produkte und konnte so den Konsum und die Produktion von Fleisch reduzieren“, sagt der Experte. Klar ist also: Der Preis ist einer der wichtigsten Lenkungsfaktoren – die Politik kann über die Steuerschraube aktiv eingreifen. Das zeigte sich auch in Japan und Dänemark, die Länder haben 2008 und 2011 eine Fettsteuer eingeführt, Großbritannien im Jahr 2018 eine Zuckersteuer: Hersteller von Getränken mit zusätzlichem Zuckerzusatz müssen 18 Pence pro Liter (20 Cent) zahlen, wenn der Zuckergehalt zwischen 5 und 8 g/100 ml liegt. Enthält die Limonade mehr als 8 g Zucker pro 100 ml, sind 24 Pence pro Liter (27 Cent) fällig. Die Folgen: Der Zuckergehalt von Limonaden hat abgenommen – genauso wie die Zahl der fettleibigen Jugendlichen.

Veränderungen dürfen nicht ideologisch aufgeladen werden

Und doch gibt es nach Meinung von Experten durchaus Fallstricke. „Wichtig ist meines Erachtens, dass die dringend nötigen Veränderungen des Konsumverhaltens im Lebensmittelbereich nicht ideologisiert oder emotional aufgeladen werden“, warnt Tobias Gaugler, Professor für Management in der Ökobranche. Dies würde tendenziell Abwehrhaltungen bei einer großen Gruppe von Konsumierenden auslösen. „Vielmehr sollten wissenschaftliche Ergebnisse, welche die Gesundheits- und Umwelt- und insbesondere klimatische Implikationen darlegen, als Basis für politische Maßnahmen und Konsumentscheidungen dienen“, sagt er. 

Noch eine Warnung gibt es, ausgesprochen vom Expertenrat selbst: Auch wenn die Menschen ihr eigenes Verhalten ändern, entbinde das die Industrie keineswegs, auch hier an den notwendigen Stellschrauben zu drehen. „Tatsächlich haben einzelne wirtschaftliche Akteure in der Vergangenheit versucht, den Diskurs auf Konsumentenverantwortung zu lenken, um damit Auflagen für die Industrie zu verhindern und Probleme zu entpolitisieren. Aus Sicht des Sachverständigenrats für Umweltfragen (SRU) sollte die Politik daher keinesfalls die Menschen und ihr Verhalten anstelle der Produktionsseite adressieren“, schreiben die Gutachter.

 
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